Ethnische Kasachen fliehen aus China nach Kasachstan
China geht seit Monaten härter gegen Muslime vor, gegen ethnische Kasachen, Kirgisen oder Uiguren. Viele sind in Lagern festgesetzt, nur wenige können fliehen.
Ein Lebensmittelladen am Rande des Zentrums von Almaty, der größten Stadt Kasachstans. In den Regalen stehen Konserven und Wodkaflaschen, auf dem Tresen Kaugummi und ein Stapel Fladenbrote.
Ayanbek Kadyrbek ist kurz vorbeigekommen, um zu schauen, wie das Geschäft läuft – es ist sein Laden. – Der 34jährige ist Kasache, wurde aber in Xinjiang im Nordwesten Chinas geboren. Vor Jahren war er im Rahmen eines Umsiedlungsprogramms nach Kasachstan emigriert und erhielt den kasachischen Pass. In China sah er damals keine Zukunft für sich.
Ethnische Kasachen sind religiöse Minderheit
Kasachen sind in Xinjiang eine ethnische und religiöse Minderheit. Und als Muslime sind sie in den Fokus der chinesischen Regierung geraten. Denn Peking stellt pauschal alle Muslime in Xinjiang unter Terrorismusverdacht. – Die Auswirkungen hat nun auch Kadyrbek zu spüren bekommen: Seine 60jährige Mutter, die in Xinjiang lebt, mit einem chinesischen Pass, ist seit Mai verschwunden.
Sie wurde von den chinesischen Behörden einbestellt. Es ging wohl um ihre Arbeit. Sie ist also da hin – und seitdem habe ich keinen Kontakt mehr. Bekannte haben erzählt, dass sie in so einem Lager und zumindest am Leben sei – mehr weiß ich nicht.
Die Lager in Xinjiang sind berüchtigt. China behauptet, Angehörige ethnischer Minderheiten würden dort lediglich ausgebildet. Sie erhielten Sprachunterricht, Jobtrainings und lernten Gesetzestexte. Doch Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass bis zu eine Million Muslime gewaltsam festgehalten, auch gefoltert werden.
Kasachen aus China hoffen auf kasachische Regierung
Wie viele andere Kasachen hofft Kadyrbek nun, dass die kasachische Regierung die Angehörigen aus China befreien kann. Doch Aibek Smadiyarov, Sprecher des kasachischen Außenministeriums, ist da zurückhaltender.
Seit Anfang 2018 wurden in China 29 kasachische Staatsbürger unter dem Verdacht der doppelten Staatsbürgerschaft festgenommen. 15 von ihnen konnten dank unserer Bemühungen nach Kasachstan zurückkehren.
Nur 15 Menschen befreit bei Zehntausenden Inhaftierten? – Rechtlich ist die Situation tatsächlich schwierig. Denn die meisten Kasachen in chinesischen Lagern haben die chinesische Staatsbürgerschaft. Die kasachische Regierung – so die offizielle Position – könne sich deshalb nicht in innerchinesische Angelegenheiten einmischen.
Kasachstan fürchtet chinesische Wirtschaftsmacht
Kasachstans Zögern gegenüber China hat aber noch einen anderen Grund: Zwölf Milliarden Dollar Schulden hat Kasachstan gegenüber China, das zudem zweitwichtigster Handelspartner ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Kasachstans schränkt seine Verhandlungsposition ganz einfach erheblich ein.
Ladenbesitzer Ayanbek ist von solchen diplomatischen Fallstricken weit entfernt. Für ihn zählt am Ende, dass seine Familie zusammen und in Sicherheit ist. Seine Mutter irgendwie nachzuholen, bleibt für ihn das wichtigste Ziel.
Wir Kasachen werden in China in Lagern festgehalten wie im Gefängnis. Wir dürfen uns nicht aussuchen, wo wir arbeiten, ein eigenes Geschäft zu haben wie hier, ist unmöglich. Wir dürfen uns nicht einmal frei bewegen. Wir müssen das tun, was uns die chinesische Regierung vorschreibt. Für viele gibt es deshalb nur noch einen Ausweg – nach Kasachstan.