Seit dem Tod des autokratischen Herrschers Islom Karimow im Jahr 2016, befindet sich Usbekistan unter Schawkat Mirsijojew auf Reformkurs – vordergründig. Wie ernst es die neue Führung mit dem Wandel meint, warum Usbekistan dabei auf Deutschland als Partner setzt und ob die Zivilgesellschaft von den Veränderungen profitiert, darüber hat das Magazin Ostpol mit drei Experten gesprochen.

Edda Schlager: Erwartungen an die Wirtschaft immens, erhebliche Defizite des Rechtsstaates

Kurz vor dem Besuch des usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew in Deutschland zeigen sich deutsche Unternehmen euphorisch. Beim Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft lobt man den Reformkurs, den Mirsijojew angestoßen hat.

Während eines deutsch-usbekischen Wirtschaftsforums am 14. Januar in Berlin wurden Vereinbarungen über die Realisierung gemeinsamer Projekte im Wert von vier Milliarden US-Dollar unterzeichnet; von deutscher Seite mit dabei sind Konzerne wie Siemens, Linde, ThyssenKrupp oder Knauf.

Usbekistan setzt auf Deutschland als wichtigsten Partner in Europa, und hat nicht zuletzt deshalb zum 15. Januar die Visapflicht für Deutsche aufgehoben – 30 Tage lang können Touristen und Geschäftsleute nun visafrei nach Usbekistan reisen.

Wie ernst das Interesse der usbekischen Regierung an einer Partnerschaft mit Deutschland ist, könnte Mirsijojew zeigen, indem er Bedingungen schafft, deutschen Unternehmen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Tatsächlich hat Mirsijojew seit seinem Amtsantritt im Jahr 2016 Reformen in Gang gesetzt, die die Länder Zentralasiens einander näherbringen. Der Handel Usbekistans mit den Nachbarn Kasachstan, Tadschikistan, Kirgistan und Turkmenistan hat deutlich zugenommen. Und 2017 setzte die Regierung ein deutliches Zeichen in Richtung internationaler Investoren: Man korrigierte den offiziellen Wechselkurs des usbekischen Sum gegenüber dem US-Dollar deutlich nach unten, Einschränkungen für die Devisenkonvertierung wurden aufgehoben.

Realistischer Reformkurs?

Doch wie realistisch sind die Erwartungen der Deutschen an einen Wirtschaftsmotor Usbekistan, der ganz Zentralasien, eine für Europa geostrategisch wichtige Region, ergreifen könnte? Tatsächlich betrug die Außenwirtschaftsbilanz Deutschlands mit Usbekistan im Jahr 2017 nur 606,4 Mio. Euro. Das ist ein Achtel der Bilanz mit Kasachstan, dem bisher wichtigsten Partner Deutschlands in Zentralasien. Zwar ist das deutsche Handelsvolumen mit Usbekistan von Januar bis Oktober 2018 um 15 Prozent gestiegen, doch der Ausgangswert bleibt gering.

Zudem ist das Thema Rechtstaatlichkeit in Usbekistan für deutsche Unternehmen nach wie vor ein Unangenehmes. Gerade deutsche Firmen haben in Usbekistan ausgesprochen schlechte Erfahrungen gemacht. So warten deutsche Mittelständler, die sich am Bau des 2009 fertig gestellten „Palasts der internationalen Foren“ und eines Sportparks in Taschkent beteiligten, bis heute auf ihr Geld. Die Außenstände betragen rund 130 Mio. Euro.

Wie ernst das Interesse der usbekischen Regierung an einer Partnerschaft mit Deutschland ist, könnte Mirsijojew zeigen, indem er Bedingungen schafft, die diesen deutschen Unternehmen zu ihrem Recht verhelfen. Wie ernst es andererseits der Bundesregierung ist, mit vertrauenswürdigen Partnern zu agieren, könnte sie zeigen, indem sie insistiert, erst Altfälle aufzuarbeiten, bevor sie ein neues Zeitalter der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Usbekistan einläutet.

Was die anderen Experten zu Usbekistan meinten, ist bei Ostpol zu lesen.