Okay, das neue Jahr ist sechs Wochen alt – was machen eure guten Vorsätze?! Einer von meinen lebt noch – die monatlichen Recaps wieder aufzunehmen. Aufgrund der großen Anzahl von Aufträgen – ja, das lief richtig gut vergangenes Jahr – ist die Rubrik in den letzten Monaten von 2017 etwas, tja, ausgedünnt.

Ich habe jedenfalls gemerkt, wie sehr mir die monatlichen Zusammenfassungen selbst helfen, den Überblick zu behalten über die Ereignisse in den fünf Ländern, für die ich mich als Auslandskorrespondentin verantwortlich fühle. Hier also „Das war der Januar in Zentralasien“.

Kasachstan erneut auf Weltparkett

Am 9. Januar hat sich der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew wieder mit einer persönlichen Botschaft ans Volk gewandt. Er trat mit einer kurzen Mitteilung – wie gewohnt abwechselnd Kasachisch und Russisch sprechend – im staatlichen Fernsehsender KTK auf.  Wichtigster Inhalt: Was er zu sagen hätte, würde am nächsten Tag per Zeitung verkündet.

Angesichts dessen schossen sofort Spekulationen über einen möglichen Rücktritt Nasarbajews ins Kraut – die allerdings enttäuscht wurden. Die am darauffolgenden Tag veröffentlichte eigentliche Botschaft enthielt lediglich den Appell, Kasachstan müsse den Schritt ins Digitalisierungszeitalter in Angriff nehmen. –  Der kasachische Politanalyst Dossym Satpayev stellte in Forbes nicht nur den politischen Wert der aktuellen Botschaft, sondern derartiger Auftritte insgesamt in Frage: „Für viele einfache Bürger haben diese Reden keinerlei Bedeutung, da die Diskrepanz zwischen dem, was gesagt, und dem, was getan wird, bei uns eine seit langem existierende chronische Krankheit ist.“

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Fast unbemerkt hatte Kasachstan im Januar die Präsidentschaft des UN-Sicherheitsrats inne – als erstes zentralasiatisches Land überhaupt. Kasachstan ist in den Jahren 2017 und 2018 nichtständiges Mitglied, auch das ein Novum. Katie Putz würdigt in The Diplomat das Engagement Kasachstans und Usbekistans, sich in der Region Zentralasien sicherheitspolitisch einzubringen und die Friedensbemühungen in Afghanistan aktiv zu unterstützen. Im März wird übrigens Taschkent Gastgeber der Friedensgespräche zu Afghanistan sein, an der Regierungsvertreter aus den USA, Russland, China, dem Nahen Osten und den zentralasiatischen Ländern teilnehmen werden.

Dossym Satpayev teilt die Euphorie über den Vorsitz Kasachstans im UN-Sicherheitsrat nicht und analysiert in einem lesenswerten Artikel für das Portal ratel.kz, welche diplomatischen Absprachen offenbar dahinter stehen. Unter anderem hatte sich Kasachstan den Vorsitz dadurch „erkauft“, dass es am 19. Dezember 2017 in der UN-Vollversammlung gegen die Resolution 72/190 zur „Situation der Menschenrechte in der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sevastopol, Ukraine“ stimmte. – Mit der Resolution fordern die Vereinten Nationen Russland auf, ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes über die Wiederherstellung von Rechten und Freiheiten der ukrainischen Staatsbürger auf der Krim umzusetzen. Auch Russland und China, beide ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und wichtige Partner Kasachstans, hatten dagegen gestimmt.

Nasarbajew trifft Trump

Der Vorsitz im UN-Sicherheitsrat war übrigens Hintergrund für ein anderes Großereignis im Januar – am 16. Januar empfing Donald Trump Nasarbajew im Weißen Haus in Washington. Im Zuge des Besuchs gab es einige wohlwollende Berichte, die der Beziehung USA-Kasachstan eine goldene Zukunft voraussagen, der kasachische TV-Kanal Khabar feierte die „globale Größe Kasachstans“ und Bloomberg nutzte die Gelegenheit, um auf finanzielle Verstrickungen des kasachischen Milliardärs Tevfik Arif mit dem Trump-Imperium hinzuweisen.

Trump wiederum zeigte Nasarbajew den korrekten Umgang mit der freien Presse.

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Kälte-Schock in Kirgistan

Die Bewohner der kirgisischen Hauptstadt erlebten im Januar ein paar wortwörtlich katastrophale Tage. Als die Temperaturen auch tagsüber nicht über -27 Grad stiegen, brach die Wärmeversorgung der Stadt zusammen. Tausende Haushalte hatten zudem vier Tage lang nicht einmal Strom. Ein erst im vergangenen Jahr modernisiertes Kraftwerk hatte seine Tätigkeit komplett einstellen müssen.

Dabei war die Modernisierung durch eine chinesische Firma mit Hilfe eines chinesischen Kredits in Höhe von 386 Mio. US-Dollar im vergangenen Jahr erst als erfolgreiche internationale Investition gefeiert worden. – Selbst im Heizkraftwerk mussten die Arbeiter während der eisigen Tage zu ungewöhnlichen Methoden greifen, um sich aufzuwärmen, wie einer von ihnen auf Facebook postete.

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Premierminister Sapar Isakov versprach politische Konsequenzen. Zudem sollen Bewohnern von Bischkek nun die Nebenkosten für diese Tage erlassen werden. Für mehr als 15 Menschen, die während der Kältewelle erfroren waren, kommt die Hilfe jedoch zu spät.

Das Versagen in diesem Fall wirft ein Licht auf die politische Situation in Kirgistan. Nachdem Sooronbai Jeenbekov im Oktober vergangenen Jahres zum Präsidenten gewählt worden war, entwickelt die einst gefeierte Demokratie Kirgistan erneut autokratische Züge. Repressionen von Regierungskritikern stünden mittlerweile auf der Tagesordnung, schreiben The Econmist und Eurasianet. Das treffe Oppositionspolitiker wie den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Omurbek Babanov, der Kirgistan aus Angst vor Verfolgung mittlerweile verlassen hat, Menschenrechtler und Journalisten gleichermaßen.

Kleiner Trost: Kirgistan wurde vom britischen Wanderlust Travel Magazine zum besten Aufsteiger unter den Top-Reisezielen weltweit gewählt.

Historischer Besuch in Tadschikistan

In Tadschikistan stand der Januar ganz im Zeichen einer neuen Annäherung mit Nachbar Usbekistan. Am 10. und 11. Januar besuchte der usbekische Außenminister Abdullah Aripov die tadschikische Hauptstadt Duschanbe und traf Präsident Emomali Rahmon. Es war der erste Besuch eines usbekischen Premiers seit mehr als zehn Jahren und der erste Staatsbesuch von usbekischer Seite in Tadschikistan, nachdem Shavkat Mirziyoyev im Dezember 2016 zum Präsidenten Usbekistans gewählt worden war. es der wichtigsten Ergebnisse des Besuchs: Bürger beider Länder sollen sich künftig bis zu einem Monat lang ohne Visum im Nachbarland aufhalten dürfen.

Usbekistan und Tadschikistan pflegten seit unter Ex-Präsident Islam Karimow eine anhaltende Feindschaft. Was das Tauwetter zwischen beiden Ländern bedeutet, diskutierte ich mit Kollegen im Majlis Podcast.

Aripovs Besuch war übrigens nur die Vorbereitung eines für März geplanten Staatsbesuchs Shavkat Mirziyoyev in Tadschikistan. Von dem Treffen werden zahlreiche bahnbrechende Vereinbarungen erwartet, neben der Öffnung neuer Grenzkontrollpunkte zwischen beiden Ländern, der Räumung bisher verminter Grenzabschnitte geht es auch um Investitionsverträge und eine Erklärung zur Zukunft des Mega-Staudamm-Projekts Rogun. Dessen Bau war seitens Usbekistans Jahre lang boykottiert worden, ist mittlerweile aber in vollem Gang.

Der Bau des Staudamms in Rogun ist mittlerweile in vollem Gange

Auch wenn Tadschikistan von den Entwicklungen in Usbekistan zu profitieren scheint – politisch entwickelt sich das Land nicht zum Besten. Für den Deutschlandfunk habe ich die derzeitige Situation analysiert.

Interessant ist vor diesem Hintergrund auch die Story, die das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) aufgedeckt hat: Amonullo Hukumov, Ex-Chef der tadschikischen Eisenbahn, hat offenbar rund zehn Millionen US-Dollar für den Erwerb von Luxus-Immobilien in Tschechien ausgegeben – bei einem maximalen Gehalt für Staatsbedienstete von 5.000 Somoni, rund 625 US-Dollar, pro Monat.

Tadschikischer Hodja Nasreddin

Neben all den schlechten politischen Nachrichten ist diese hier ein amüsanter Lichtblick: Einem persischen Märchenerzähler gleich dichtet ein geheimnisvoller Poet im südtadschikischen Khojaghalton Spottverse über seine Nachbarn.

Der Bürgermeister sammele ständig Geld, das genauso schnell auch wieder verschwinde, der Plov in der örtlichen Chaikhana sei stets versalzen, ein Mann namens Khusrav arbeite nur während der Ernte und sieht ansonsten sein Leben untätig an sich vorbeiziehen. – Die Identität des Dichters wurde bisher nicht geklärt.

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Turkmenistan – kurz vor dem Kollaps

Eurasianet wirft Anfang Januar noch einmal einen Blickzurück auf das Jahr 2017 in Turkmenistan. Präsident Gurbanguli Berdymukhamedov weist bis heute von sich, dass das erdgasreiche, aber politisch extrem abgeschottete Land irgendwelche Probleme habe. Tatsächlich steht Turkmenistan kurz vor dem Bankrott.

Das Portal habartm.org (ANT, Alternative Nachrichten aus Turkmenistan) hat in Istanbul gedreht, wie turkmenische Gastarbeiter in Schlangen vor Geldautomaten stehen, mit turkmenischen Geldkarten türkische Lira abheben und diese in US-Dollar tauschen. Die wiederum, so ist im Video zu erfahren, würden daheim in Turkmenistan zu immer weiter steigenden Schwarzmarktpreisen getauscht, der Gewinn sei der Lebensunterhalt dieser Turkmenen.

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Möglich ist dies, weil Turkmenistan den Bargeldverkehr immerstärker reglementiert, aber keine funktionierenden Alternativen schafft.

Trotz eklatant steigender Preise für Nahrungsmittel, Benzin oder die kommunale Versorgung sei es, so schreibt RFE/RL, für den turkmenischen Präsidenten das Wichtigste gut auszusehen. So will Berdymukhamedov für den Baueines Luxushotels in Aschgabat rund 350 Mio. US-Dollar ausgeben.

International enorme Aufmerksamkeit erregte die Meldung, inTurkmenistan dürften Frauen nicht mehr Autofahren, unabhängig davon, ob sie einen Führerschein besitzen oder nicht. Grund dafür sei, so ANT, dass Innenminister Isgender Mulikov bei einer Regierungssitzung berichtet habe, die meisten Autounfälle in Turkmenistan würden durch Frauen verursacht. Daraufhin habe der Präsident ihn angewiesen, das Problem „zu lösen“.

Und so sieht es aus, wenn all die Direktiven des Präsidenten geflissentlich entgegen genommen werden.

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Die wichtigste Nachricht nach Karimovs Tod

Die nicht nur für Usbekistan sondern ganz Zentralasien wichtigste Meldung im Januar schlug am letzten Tag des Monats wie eine Bombe ein: Präsident Shavkat Mirziyoyev hatte Rustam Inoyatov, Chef des gefürchteten usbekischenGeheimienstes SNB, entlassen. – Inoyatov hatte den Posten seit 23 Jahren innegehabt und galt unter Karimov als eine der mächtigsten Führungsfiguren des Landes. Als einer von nur wenigen aus der Karimov-Ära hatte er das durch Mirziyoyev in Gang gesetzte Personalkarussel bisher überlebt. Der 73jährige galt anfangs selbst als potenzieller Nachfolger Karimovs und blieb deshalb ein Konkurrent Mirziyoyevs.

Im Majlis Podcast wies Alisher Sidik, Chef des usbekischen Ablegers von von RFE/RL darauf hin, dass der Abgang im Einvernehmen erfolgt sein müssse. Inoyatov, so Sidikov, habe mit seinen beiden Söhnen ein mächtiges Imperium innerhalb Usbekistans aufgebaut, er habe sicher kompromittierendes Material über zahlreiche Angehörige der usbekischen Eliten gesammelt. Mit seiner Entlassung verschwinde dieses Imperium nicht. Und bisher ist Inoyatov, der unmittelbar nach der Entlassung zum Berater des Präsidenten ernannt worden war, weit entfernt davon, juristisch zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Die Politik in Usbekistan, so der Economist, werde mit der Absetzung Inoyatovs nicht demokratischer, nur weniger brutal.

Vom Ende des Überwachungsstaates ist Usbekistan noch weit entfernt: Taschenkontrolle durch die Polizei an einem Zugang zur Metro in Taschkent

Grundsätzlich sind die Meldungen aus Usbekistan nach wie vor widersprüchlich. So wurde zwar der Ex-Innenminister Adham Ahmadboev im Januar verhaftet. Wie auch der Ex-SNB-Vizechef Shukhrat Gulyamov ist Ahmadboev offensichtlich in Ungnade gefallen. Mirziyoyev hatte die beiden und den Geheimdienst Ende Dezember 2017 in einer Rede im Parlament scharf angegriffen. – Auch wurde der Journalist Khairullo Khamidov, der fünf Jahre wegen extremistischer Tätigkeit im Gefängnis gesessen hatte und auf der „Schwarzen Liste“ für potentielle Terroristen stand, rehabilitiert und zum Chefredakteur des staatlichen Fernsehsenders „Kultur und Bildung“ («Маданият и маърифат») ernannt. – Doch darf dies nach wie vor nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mirziyoyev ernsthafte Reformen nach wie vor nur in der Wirtschaft vornimmt.

Die sind auch dringend nötig, wie der tragische Unfall eines Reisebusses voller usbekischer Arbeitsmigranten in Kasachstan am 18. Januar zeigte. 52 Usbeken kamen ums Leben, als der Bus in der Nähe von Aktobe Feuerfing. Die Männer waren auf dem Weg nach Russland und nahmen dafür den günstigsten Weg mit dem Bus durch Kasachstan in Kauf.

Vordergründig ist für die Tragödie der schlechte Wartungszustand von Bussen in Kasachstan verantwortlich. Doch dahinter steht die Wirtschaftskrise in Usbekistan, die Hunderttausende Jahr für Jahr in Russland Arbeit suchen lässt und auf deren Kosten windige Unternehmer in Kasachstan versuchen, Geld zu machen. Mit einem fairen Verfahren gegen das kasachische Busunternehmen können die Hinterbliebenen der Opfer kaum rechnen.

Und sonst?

Das US-amerikanische Außenministerium hat jüngst Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zu Ländern erklärt, in denen Verletzungen der Religionsfreiheit als „besonders besorgniserregend“ anzusehen seien.

Vor diesem Hintergrund ist besonders dieser Artikel des Central Asian Analytical Network CAAN lesenswert. Die beiden Autoren Zhanar Nagayeva und Galym Zhusipbek gehen darin der Frage nach, was ist eigentlich der so genannte „traditionelle Islam“ in Zentralasien? Gemeint sei damit in der Regel der vor-islamistische Islam, jenseits heutiger extremistischer Tendenzen. In Zentralasien selbst tue man sich mit der Definition oft schwer, dass muslimische Religiosität und soziale, kulturelle Identität oft vermischt würden. Die Autoren sprechen sich daher dafür aus, künftig von einem „pluralistischen Islam“ zu sprechen, wenn es um das Verständnis der Rolle des Islams in Zentralasien und um seine Wurzeln geht.

Und Rano Turaeva, die am Max-Planck-Institut für soziale Anthropologie in Halle (Saale) unter anderem zu Zentralasien forscht, hat Voices on Central Asia ein Interview zum Thema „Religiosität von Frauen in Zentralasien“ gegeben.  Sie glaubt, „Religiosität zu zeigen, stattet Frauen mit einem größeren sozialen Kapital aus als Männer. Das wird automatisch eher mit Vertrauen, Loyalität, Heiligkeit, Gottes Segen und einem Sich-beschützt-Fühlen durch Gott in Verbindung gebracht.“ Außerdem habe sie festgestellt, dass Kopftuch tragenden Frauen eher vertraut werde. – Das sind spannende Aspekte in der Diskussion um den wiederauflebenden Islam in Zentralasien.

Zuguterletzt – die Dokumentation „The New Silk Road: Ambition and Opportunity“, an der ich als Producerin für Kasachstan und Kirgistan mitgewirkt habe, läuft seit Januar auf CNBC. Die hier verlinkte Version wurde, gut sichtbar, gesponsort und deshalb inhaltlich entschärft. Die kritischere Version ist in fünf Monaten verfügbar.

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