Wetlands und Wüstenschutz: Am Aralsee findet ein Umdenken statt

von © Deutschlandfunk, 4 min, Edda Schlager

Davon, dass es am Aralsee zu wenig Wasser geben soll, ist am Kok-Aral-Damm in Kasachstan wenig zu sehen.

Durch ein rund 50 Meter breites Wehr rauschen enorme Wassermassen – rund 300 Kubikmeter pro Sekunde. Sie fließen aus dem kleinen Aralsee im Norden in Richtung Süden – ein notwendiger Überlauf, damit der Druck auf den 13 Kilometer langen Staudamm nicht zu groß wird.

Bolat Bekniyaz, Hydrologe und kasachischer Landesdirektor des Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees, erklärt die Bedeutung des Staudamms.

Dieser Damm hier ist das wichtigste Bauwerk am Aralsee. Er wurde 2006 von der Weltbank und der Republik Kasachstan gebaut und hält rund 27 Kubik-Kilometer Wasser zurück. Nur dank dieses Staudamms existiert der nördliche Aralsee.

Kaum etwas übrig vom Aralsee

Der nördliche kleine Aralsee in Kasachstan ist das, was vom einst viertgrößten See der Welt übrig ist. Der Aralsee hatte vor 70 Jahren die Größe Bayerns, heute ist er auf ein Zehntel geschrumpft.

In den 60er Jahren begann der Aralsee auszutrocknen. Die Sowjetunion machte damals die Wüsten Zentralasiens urbar, riesige Flächen wurden künstlich bewässert. Das Wasser von Amudarja und Syrdarja, den beiden Zuflüssen des Aralsees, wurde auf Reis- und Baumwollfelder geleitet. Milliarden Kubikmeter Wasser verdunsteten. Über Jahrzehnte hinweg erreichte immer weniger Wasser den Aralsee. Eine der größten menschgemachten Umweltkatastrophen nahm ihren Lauf.

Der Kok-Aral-Damm staut heute den Syrdarja auf – und rettet so, was zu retten ist.

Denn das Wasser, das durch den Kok-Aral-Damm in Richtung Süden rauscht, ist für die Umwelt verloren. Nur wenige Kilometer vom Damm entfernt wird es im Wüstenboden versickern und im trockenen Klima verdunsten.

Neue Konzepte

Hydrologe Bekniyaz erklärt, wie die Zukunft hier im Delta des Syrdarja aussehen könnte.

Im Süden reicht das Wasser nicht. Den gesamten See erhalten zu wollen, macht keinen Sinn, weil das Wasser zu schnell verdunstet. Ziel muss es sein, Sumpflandschaften zu schaffen, damit dieses Gebiet ökologisch stabiler wird und keine Salzstäube mehr ausgetragen werden.

Am Aralsee beginnt ein Umdenken. Weil der See als Gewässer in seiner ursprünglichen Größe nicht mehr zu retten ist, fassen Wissenschaftler jetzt andere Ziele ins Auge.

In den kommenden zehn Jahren will Kasachstan das Syrdarja-Delta in ein Feuchtgebiet umwandeln, so groß wie der nördliche Aralsee. Das noch verfügbare Wasser soll so neue ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen.

Jetzt heißt es – Wüstenschutz

Der weitaus größere Teil des früheren Aralsees aber ist zur Wüste geworden. Aralkum heißt die hier entstandene, jüngste winterkalte Wüste der Welt. Und mittlerweile hat man erkannt – auch sie ist ein wichtiges Ökosystem. Michael Manthey von der Universität Greifswald leitet die Zentralasiatische Wüsten-Initiative, kurz CADI. Das Projekt unterstützt Kasachstan und Usbekistan beim Schutz der Aralkum.

Da geht es um die Verbesserung des Managements von Schutzgebieten und um Ausweisung neuer Schutzgebiete.

Eines der Ziele des CADI-Projekts ist es, das Schutzgebiet Barsakelmes zum UNESCO-Weltnaturerbe zu machen. Barsakelmes war früher die größte Insel im Aralsee, stand schon zu Sowjetzeiten unter Naturschutz. Als der See verschwand, ging die Insel in der Wüste auf. 2016 wurde Barsakelmes dank internationaler Hilfe zum UNESCO-Biosphärenreservat. Zahlreiche Tiere von der Roten Liste gefährdeter Arten leben hier – Saiga-Antilopen, Kulane, Kropfgazellen.

Auch die junge Wüste ist schon vom Menschen bedroht

Doch die Region um den Aralsee ist eine der ärmsten in ganz Zentralasien. Viele Menschen leben ausschließlich von Viehzucht, Überweidung ist ein massives Problem. Und so ist auch die neu entstandene Wüste schon wieder vom Menschen bedroht.

Interessenkonflikte zwischen Naturschutz und Einheimischen müssten deshalb sinnvoll koordiniert werden, so Manthey.

Landnutzung ist natürlich in jedem Biom existenziell wichtig, um Biodiversität zu erhalten, um dort Verbesserungen zu erreichen. Da wird mit Farmern gearbeitet, da werden Workshops durchgeführt, um vorhandenes Wissen wieder auszugraben oder sie auf einen modernen Stand der Dinge zu bringen.

Die Hoffnung, dass der Aralsee einst zurückkehren könnte, teilt auch Manthey nicht. Dafür lebten mittlerweile zu viele Menschen in der Region. Der Wasserverbrauch werde in den kommenden Jahren eher steigen als sinken.

Deutschlandfunk, Umwelt und Verbaucher, 12.02.2021