Tadschikistan: "Asia Plus" (zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai)

von © Deutschlandfunk, Markt & Medien, 03.05.2008, 4 min

Elf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs ist Pressefreiheit noch immer ein heikles Thema in Tadschikistan, dem ärmsten Land Zentralasiens und nördlichen Nachbarn Afghanistans. Es gibt nur eine Handvoll privater Radiostationen und Zeitungen, die es vorsichtig wagen, über die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu berichten – so wie “Asia Plus”.

“Asia Plus” – das ist privater Rundfunk in Tadschikistan. Seit vier Jahren gibt es den ersten unabhängigen Radiosender des Landes. Rund um die Uhr läuft – abwechselnd in russischer und tadschikischer Sprache – ein Programm aus Musik, Unterhaltung und Nachrichten. Politische Fragen wirft “Radio Asia Plus” nicht auf. Für brisante Themen gibt es die gleichnamige Zeitung – mit 15.000 Exemplaren die auflagenstärkste in ganz Tadschikistan.

Die Zeitung ist eine der kritischsten im Lande. Sie beanstandet die Wirtschaftspolitik der Regierung oder kommentiert politische Schauprozesse – und ist damit das “scharf schießende Flaggschiff” der Medien-Gruppe “Asia Plus”. Dazu gehören auch eine Nachrichtenagentur, ein Magazin-Verlag und ein Online-Magazin – finanziert vorwiegend durch Werbung und Anzeigen.

Umed Babachanow hat “Asia Plus” im Jahre 1996 gegründet. Der Journalist gilt als progressiver Vorreiter in der Medienlandschaft Tadschikistans. Und das, obwohl Pressefreiheit in der autokratischen Präsidialrepublik ein heikles Thema ist. Präsident Emomalij Rahmon und seine Regierung fürchten zu viel Freigeist in den Medien. Bei unbequemen Berichten drohen eingezogene Sendelizenzen, konfiszierte Print-Ausgaben oder gar Gefängnis. Die Folge – Selbstzensur, wie “Asia Plus”-Chef Babachanow einräumt.

“Ich hatte bisher Gott sei Dank noch keine größeren Probleme mit der Staatsmacht. Aber ich habe hier in meinem Kopf einen Zensor. Ich weiß, dass irgendwo eine virtuelle rote Strichliste geführt wird, und wenn ich da ein Limit überschreite, bekomme ich Probleme. Deshalb ist es stets eine Gratwanderung, ob nicht dieses oder jenes Wort genau ein Wort zu viel ist. Diese Selbstzensur, die Angst, offen zu reden, gibt es in der gesamten Gesellschaft und besonders in den Medien.”

Die Balance gelingt Babachanow bisher – vielleicht auch deshalb, weil er sich nicht nur als Journalist, sondern auch als Geschäftsmann versteht. Mit seiner Medien-Gruppe setzt er auf ein breites Themen-Spektrum – Promis, Autos, Luxus – im Radio laufen westliche Pop-Songs neben tadschikischer Volksmusik. Kritischer Journalismus ist nur ein Teil seiner Philosophie – möglich durch weit verzweigte Kontakte und Omnipräsenz in allen Mediensparten.

“Ich sage jetzt etwas, was ein Journalist nicht unbedingt sagen sollte, weil es vielleicht paradox ist: Die wichtigste Aufgabe für Tadschikistan ist heute nicht, eine Demokratie aufzubauen oder die Meinungsfreiheit zu ermöglichen. Viel wichtiger ist es, ein gutes Geschäftsklima für private Unternehmen zu schaffen.”

Selbstbetrug – meint Schokir Khakimow. Er ist politischer Analyst in Tadschikistan und wagt als einer von wenigen, die Politik der Regierung öffentlich zu kritisieren.

“Die sozialen Probleme und die ökonomische Situation Tadschikistans wirken sich natürlich auf die Qualität des Journalismus’ hier aus. Das Resultat: Die Presse und die Journalisten in Tadschikistan verlieren ihre soziale Bedeutung als Reflektoren, als Spiegel der Realität. Deshalb verstehen sie ihre Arbeit als Unternehmertum – so wie auch ‘Asia Plus’.”

Umed Babachanow ist ein Mann der Gratwanderungen – ein Idealist ist er nicht. Dennoch hofft er weiter auf Entwicklung – und auf Pressefreiheit.

“Die ganze Welt entwickelt sich in rasendem Tempo, mit neuen Technologien, und wir hier fürchten uns, die eigene Meinung zu sagen, fürchten das, was die da oben sagen. Werden wir heute geschlossen oder nicht? Das ist nicht normal. Wenn wir so weitermachen, werden wir als Staat sterben. Wenn wir aber nicht sterben, sondern Entwicklung wollen, dann muss eine neue Zeit her, in der wir nach anderen Regeln leben, arbeiten, denken und schreiben können.”

Zum Weiterlesen
Die Online-Präsenz von “Asia Plus” (in Russisch und Englisch)