​Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Die wirtschaftliche und politische Stagnation im Land hatte zuletzt zu immer größerer Unzufriedenheit geführt. Dennoch gilt Nasarbajews Rückzug als Zäsur, die Auswirkungen auf die gesamte Region haben dürfte. Der 78-Jährige hatte das zentralasiatische Land 1990 in die Unabhängigkeit geführt.

Eine Ära geht zu Ende

Am 19. März um kurz nach 19 Uhr geht eine Ära zu Ende – der letzte Sowjet-Diktator, ins Amt gekommen noch vor dem Ende der Sowjetunion, legt sein Amt freiwillig nieder. Der 78jährige Nursultan Nasarbajew, der seit 30 Jahren die Geschicke des zentralasiatischen Kasachstan leitet, unterzeichnet live im Fernsehen seine Rücktrittserklärung.

Der Tag des Rücktritts von Nasarbajew ist überraschend. Ein politisches Erdbeben aber zeichnete sich schon länger ab. Im Jahr 2020 standen in Kasachstan regulär Präsidentschaftswahlen an – vorzeitige Wahlen in diesem Jahr und selbst der Rücktritt galten im Rahmen des Möglichen.

Der Grund für den radikalen Schritt zum jetzigen Rücktritt ist – Angst. Der wachsende Groll der Bevölkerung gegen eine sich immer weiter verschärfende Wirtschaftskrise und die sich skrupellos bereichernden Eliten des Landes drohte zu kippen. In den vergangenen Wochen hatte es in Kasachstan immer wieder auflodernde kleine Proteste gegeben, die Anlässe meist soziale Ungerechtigkeiten weit entfernt von der großen Politik. Rücktrittsrufe gegen den Präsidenten wurden dennoch laut. Der Staat reagierte mit Härte, inhaftierte Protestierende und Journalisten.

Wirtschaftliche Talfahrt

Wirtschaftlich geht es Kasachstan schlecht. Das neuntgrößte Land der Erde, das vor allem von Öl und Bodenschätzen lebt, wurde von Russland, dem wichtigsten Handelspartner, mit in die Krise gerissen. Drei Währungsabwertungen in den vergangenen Jahren haben die Bevölkerung um die Hälfte ihrer Ersparnisse gebracht. Der neue Wirtschaftspartner China, unmittelbarer Nachbar, macht mit seinem Neoimperialismus auch vor Kasachstan nicht halt. Zwölf Milliarden US-Dollar Schulden stehen bereits zu Buche.

Doch Nasarbajew war schon immer ein kühler Stratege. Was er nicht verlieren will, ist – neben den Milliarden, die er und seine in politischen Ämtern und auf Managerposten untergebrachte große Familie zusammengerafft haben – seine Reputation als Friedensstifter und die Macht, die Geschicke Kasachstans weiter zu lenken.

Im vergangenen Jahr hatte er sich zum lebenslangen Chef des Sicherheitsrates erklären lassen. Seine Familie und er genießen lebensmange Immunität. So sicherte er sich politischen Einfluss auch nach dem potenziellen Ende seiner Präsidentschaft.

Rücktritt – um die Macht zu behalten

Dass er nun selbst zurücktritt, zeigt nur, dass er das Heft in der Hand behalten will. Als Interimspräsident bis zu den nun anstehenden Neuwahlen setzte Nasarbajew live im TV Kassym-Jomart Tokayev sein, den bisherigen Parlamentssprecher.

Und er legt den Wählern den 65jährigen Tokayev schon jetzt als seinen Nachfolger nahe. „Ich glaube“, so Nasarbajew, „Tokayev ist derjenige, dem wir Kasachstan anvertrauen können.” Diese „Empfehlung“ kommt in einem Land wie Kasachstan einem Gesetzesentscheid nahe. Tokayev hat das System Nasarbajew Jahre lang mitgetragen. Er ist der, dem Nasarbajew offenbar am meisten vertraut.

Doch Loyalitäten können in Zentralasien schnell verloren gehen. Tokayev hat nun alle Möglichkeiten, den Kurs Nasarbajews zu ändern – hin zu mehr kasachischem Nationalismus, weg von Russland oder auch zu mehr Demokratie. Klar ist, dieser Rücktritt wird die geopolitische Lage in ganz Zentralasien nachhaltig verändern.

Badische Zeitung, 20.03.2019