Er lässt Flüsse verschwinden und Krater entstehen. Er schafft Tropfsteine, Riffe und unterirdische Höhlen. Doch erst seine Allianz mit dem Wasser macht Kalkstein zu einem der rätselhaftesten Gesteine der Erde.
Auf den ersten Blick erscheint Kalk wenig abenteuerlich: Deckweiß für die Wand, Bindemittel im Beton und allenfalls ein lästiger Begleiter als Kesselstein auf Fliesen, Töpfen, Teekannen.
Doch wo Kalk als Gestein vorkommt, prägt er auf einmalige Weise das Gesicht ganzer Landschaften: von tiefen Klüften zerfressener Fels, versiegende Seen, ausgedehnte Höhlensysteme, dichte Wälder in den Tropen und karge Wiesen in unseren Breiten. Wer in solchen Karst-Gebieten wohnt, lebt gefährlich, denn ohne Vorwarnung können ganze Häuser in plötzlich einsinkenden Kratern verschwinden.
Auch heute noch entstehen neue Kalk-Vorkommen: durch absterbendes Plankton, das als ozeanischer Kalk-Regen auf den Meeresboden herabsinkt, als tropische Riffe, als Sinter-Terassen an Thermalquellen oder als fragile Kalkskelette, die sich millionenfach an Süßwasserpflanzen absetzen und poröse Tuffe bilden. Doch auch diese buchstäblich vor unseren Augen wachsenden Kalk-Sedimente werden einst wieder der Verwitterung zum Opfer fallen und vielleicht neue Karstlandschaften schaffen.
Denn obwohl Kalkstein als außerordentlich festes Baumaterial gilt, wird er instabil, wenn Wasser ins Spiel kommt. Die Menge des im Wasser gelösten Kohlendioxids entscheidet darüber, ob der Kalkstein erodiert oder ob aus einer anfänglich dünnen Kalkkruste mit der Zeit eine mächtige Kalksteinschicht entsteht.
Die Folgen dieser „Symbiose“ aus Kalk und Wasser sind zur Genüge aus dem Haushalt bekannt. Doch was hat der kalkverkrustete Heizstab in der Waschmaschine mit Korallen zu tun, was der verstopfte Wasserhahn mit Erdbeben? Was ist die ozeanische „Schneegrenze“, und wieso ist sie vom CO2-Anstieg in der Atmosphäre bedroht? Und was verbindet Michelangelos David mit Schlucklöchern auf der Schwäbischen Alb?
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