Bisher keine Freizügigkeit: Grenzübergang Kordai zwischen Kasachstan und Kirgistan, zwei Ländern der EAWU

Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) sollte Kasachstan wirtschaftlich näher an Europa bringen. Doch Russlands Ambitionen belasten die Erfolgsaussichten des Bündnisses eher, als dass sie Kasachstan Vorteile bringen.

Als der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew am 21. Februar die Regierung Kasachstans zum Rücktritt aufforderte, kam dies völlig überraschend. Noch am selben Tag wurde Askar Mamin vom Parlament zum neuen Premierminister gewählt, die Ministerien wurden neu besetzt.

Nasarbajew begründete den Schritt mit ausgebliebenen wirtschaftlichen Erfolgen der alten Regierung. Zwar habe es positive Entwicklungen gegeben. „Aber konkrete Resultate in vielen wichtigen Richtungen fehlen“, so der Präsident.

Eines der vielen Probleme, die der kasachischen Wirtschaft schwer im Magen liegen, ist die Eurasische Wirtschaftsunion. Kasachstan hatte das Bündnis im Mai 2014 gemeinsam mit Russland und Weißrussland gegründet. Armenien und Kirgistan stießen als Mitgliedsländer hinzu.

Angst vor „Sowjetunion 2.0“

Ursprünglich als eurasisches Gegengewicht zur Europäischen Union gedacht – im Westen fürchtete man gar eine „Sowjetunion 2.0“ – sind die hohen Erwartungen Kasachstans an die Eurasische Wirtschaftsunion deutlich enttäuscht worden. Zwar gibt es nach wie vor Ausbaupläne, und die Regierung preist offiziell weiterhin die Vorteile für Kasachstan an, doch der anfängliche Elan ist verschwunden. Bis 2025 soll ein gemeinsamer Markt für Finanzdienstleistungen entstehen, geplant sind eine digitale Agenda und ein gemeinsamer Strommarkt.

„Die Bilanz des Projektes ist ernüchternd“, sagt Ann-Sophie Gast, die die Eurasische Wirtschaftsunion jüngst für das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) analysierte. Der Handel zwischen den fünf Mitgliedstaaten habe entgegen den Erwartungen abgenommen, das gemeinsame BIP sei gesunken. „Auch die erhoffte Diversifizierung des Handels ist ausgeblieben“, so Wissenschaftlerin Gast.

Laut Zahlen der Eurasischen Wirtschaftskommission betrug das Gesamt-BIP der Mitgliedstaaten im Gründungsjahr 2014 noch 2,4 Bio. USD, im Jahr 2017 waren es trotz zwei weiterer Mitglieder nur 1,8 Bio. USD. Der Handel der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten lag 2014 bei 873,1 Mrd. USD, im Jahr 2017 nur noch bei 634,2 Mrd. USD. Und der Handelsumsatz zwischen Weißrussland, Kasachstan und Russland betrug 2014 noch 61,2 Mrd. USD, 2017 waren es hingegen nur noch 54,7 Mrd. USD.

Abhängigkeit von Russland

Kritiker nennen die Probleme beim Namen: „Wir sitzen mit Russland in einem Boot“, so der kasachische Analyst und Direktor der Risk Assessment Group in Almaty, Dosym Satpayev, „und dieses Boot heißt Eurasische Wirtschaftsunion.“ Die kasachische Wirtschaft sei ausgesprochen eng mit der russischen Wirtschaft verknüpft. Und so machten die Auswirkungen der europäischen und amerikanischen Sanktionen gegen Russland auch vor Kasachstan nicht halt.

Viele der auf der Sanktionsliste stehenden russischen Oligarchen und ihre Unternehmen haben auch Projekte in Kasachstan, beispielsweise der russische Aluminiumproduzent Rusal. Die Auswirkungen bekommen kasachische Partner unmittelbar zu spüren, weil auch sie beispielsweise keine Kreditlinien internationaler Banken mehr erhalten. Immerhin haben die USA die Sanktionen gegen Rusal Ende Januar aufgehoben.

„Kasachstan ist selbst ohne Sanktionen von Russland abhängig“, meint hingegen der kasachische Ökonom Beissenbek Ziyabekov. Gegenüber dem Nachrichtenportal Azattyk kritisierte er, dass Kasachstan zu wenig unternehme, um dies zu ändern: „Ohne die Entwicklung einer echten eigenen Industrieproduktion können wir auch ohne Sanktionen jederzeit fallen. Kasachstan ist vor allem von Rohstoffexporten abhängig, die Entwicklung der verarbeitenden Industrie kommt seit Jahren nur schleppend voran.

Logistik profitiert nicht von EAWU

Auch im kasachischen Logistiksektor sind die Auswirkungen der Eurasischen Wirtschaftsunion deutlich zu spüren. „Zum einen“, so Viktor Pinegin, Gründer des Speditionsunternehmens Intermovex, „sind die Steuern für Logistikdienstleistungen und Zölle bei internationalen Transporten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, zusammen betrachtet sicher um 35 Prozent.“

Hinzu komme jedoch die deutlich gesunkene Zahlungskraft in Kasachstan. Pinegin ist im Umzugsgeschäft aktiv, transportiert Waren nach und aus Kasachstan in alle Welt. Der Devisenwert des kasachischen Tenge hat sich seit 2015 halbiert, nicht nur aufgrund des Rubelabsturzes, sondern auch wegen der Freigabe des Währungskurses durch die kasachische Nationalbank. „Kunden aus Kasachstan“, so Pinegin, „fällt es deshalb zunehmend schwerer, international übliche Preise zu zahlen.“

Deutsche Wirtschaft zufrieden

Deutsche Unternehmen, die in Kasachstan tätig sind, äußerten sich in einer Geschäftsklimaumfrage der Delegation der deutschen Wirtschaft für Zentralasien im vergangenen Jahr überwiegend positiv zur Mitgliedschaft des Landes in der Eurasischen Wirtschaftsunion. Knapp die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen gab an, sie hätten von der Mitgliedschaft Kasachstans in der Eurasischen Wirtschaftsunion profitiert. Für ein Viertel der Unternehmen habe sich nichts geändert, 7 Prozent hätten mit negativen Folgen für das Geschäft zu kämpfen.

Dass selbst Präsident Nasarbajew nach wie vor von einem gewissen Misstrauen gegenüber der Eurasischen Wirtschaftsunion geprägt ist, zeigt seine Absage an eine von Russland priorisierte Währungsunion. „Bis dahin“, so sagte er Ende 2018, „ist es noch ein weiter Weg.“ Das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung aller Mitgliedsländer sollte für eine Währungsunion nahezu gleich sein. Dass dies vorerst nicht absehbar ist, scheint auch Nasarbajew zu sehen.

Deutsche Verkehrszeitung DVZ, Katerstimmung in Kasachstan, 05.03.2019