Eleonora Bachtiosina ist Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe GP Günter Papenburg in Kasachstan und Usbekistan
Deutsche Unternehmen erschließen von Russland aus Zentralasien. Die Märkte dort lohnen den Aufwand, haben aber auch ihre Besonderheiten.
Die Gästeliste war lang und reichte bis zum Gouverneur des Gebietes Almaty, als der deutsche Pumpenhersteller Wilo im August 2018 seine neue Produktionsstätte in Kasachstan eröffnete. „Die Investition ist Teil der globalen Lokalisierungsstrategie des Unternehmens“, erklärte Oliver Hermes, CEO der in Dortmund ansässigen Wilo-Gruppe. Man wolle die eigene Wettbewerbsposition in Zentralasien stärken. „Und Kasachstan wird die Plattform für diese Geschäftsaktivitäten sein.“ Der deutsche Mittelständler Wilo produziert Pumpen und Pumpensysteme für Haustechnik und Wasserkreisläufe für Kunden in Osteuropa und den Gus-Ländern. In Russland ist das Unternehmen seit 1997 präsent und betreibt mittlerweile über 20 eigene Werke.
Nun also Kasachstan. „Auch wenn hier“, so Jens Dallendörfer, Geschäftsführer von Wilo Russland, „unsere Pumpsysteme zunächst nur aus importierten Einzelteilen montiert werden.“ Das in Russland fest etablierte Unternehmen hat erkannt, dass in Zentralasien, dieser ehemals abfällig als „Hinterhof“ Russlands bezeichneten Region, Umsatz zu machen ist.
70 Millionen Einwohner: Neue Märkte für deutsche Unternehmen
Die fünf Länder Zentralasiens – Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – bilden zusammen einen Markt von rund 70 Mio. Einwohnern. Die Handelsbilanz Deutschlands mit der gesamten Region betrug im Jahr 2018 6,12 Mrd. EUR. Wichtigster Partner für deutsche Unternehmen ist Kasachstan mit 5,13 Mrd. EUR Handelsumsatz, gefolgt von Usbekistan mit 711 Mio. EUR.
Deutschland spielt für Zentralasien eine große Rolle. Produkte „made in Germany“ genießen in Zentralasien einen exzellenten Ruf. Die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen reichen zum Teil zurück bis in DDR-Zeiten. Davon profitieren die Unternehmen noch heute, so auch die Unternehmensgruppe GP Günter Papenburg. Im Moment ist der deutsche Mittelständler dabei, in Usbekistan ein Joint Venture zu gründen – nicht für den Straßenbau, für den das Unternehmen bekannt ist, sondern für Asphaltmischanlagen.
„In ganz Usbekistan gibt es Teltomat-Mischanlagen“, erzählt Eleonora Bachtiosina. Die Anlagen waren in der DDR produziert worden und kamen auch in Zentralasien zum Einsatz. Die Papenburg-Gruppe hatte das Werk in Teltow im Süden von Berlin 1995 übernommen und die Technologie weiterentwickelt. „Der Name Teltomat ist in Usbekistan lange bekannt, auch das Know-how bei den lokalen Arbeitskräften ist vorhanden. Da sehen wir einen Wettbewerbsvorteil“, so Bachtiosina.
Repräsentanz in Zentralasien
Sie ist Geschäftsführerin der beiden Unternehmenstöchter von GP Günter Papenburg in der Region. Seit 2004 unterhält die Gruppe eine Repräsentanz in Kasachstan, seit 2010 eine in Usbekistan. In beiden Ländern haben die Deutschen Teile der „Neuen Seidenstraße“ gebaut.
Russland und die GUS-Länder hat die Unternehmensgruppe seit mehr als 20 Jahren im Blick. Doch Zentralasien hat der Gründer Günter Papenburg schon früh als Region mit Potenzial erkannt. „Und dieses Potenzial zeigt sich derzeit vor allem in Usbekistan“, sagt Bachtiosina. Präsident Shavkat Mirziyoyev, seit Dezember 2016 im Amt, hat dem Land einen nie da gewesenen Reformprozess verordnet. Usbekistan will ebenso wie Kasachstan von den Impulsen profitieren, die Chinas „One Belt, One Road“-Strategie in der Region setzt. Die Lage zwischen Asien und Europa ist ideal, künftig sollen Transporte zwischen beiden Kontinenten verstärkt über den Landweg abgewickelt werden.
Darauf setzt auch die Deutsche Bahn mit DB Cargo und DB Schenker. Derzeit wickelt sie das wachsende Geschäft über Zentralasien von Moskau aus ab. 2019 wird DB Schenker eine Tochtergesellschaft in Kasachstan eröffnen. „Kasachstan hat eine gute Anbindung an Russland und China und hat in den letzten Jahren viel in die eigene Infrastruktur investiert“, so die DB-Sprecherin. Gemeinsame Projekte der DB, vor allem mit der staatlichen kasachischen Bahn KTZ und dem staatlichen Logistikdienstleister KTZ Express, hätten den Transitverkehr aus und nach China gestärkt. Die DB will deshalb Transitverkehre auf der Schiene ausbauen, unter anderem über das Transitterminal Khorgos an der kasachisch-chinesischen Grenze und über die Häfen am Kaspischen Meer.
Region mit besonderen Bedingungen
Doch trotz aller Euphorie – Zentralasien hat seine Tücken. Alle Länder liegen beim Korruptionsindex von Transparency International von 180 Ländern im letzten Viertel. Kasachstan rangiert auf Platz 122 kurz vor Russland (135).
Nicht immer lassen sich die Versprechungen der Regierungen, die internationale Investoren ins Land holen, vorab verifizieren. „Wir haben uns aufgrund unserer Erfahrungen vorerst aus Zentralasien zurückgezogen“, erzählt Peter Koch von Funke Kunststoffe, einem Mittelständler, der Entwässerungs- und Kanalrohrsysteme für den Tiefbau und Fensterprofile produziert.
Im Jahr 2013 hatte Funke Kunststoffe einen radikalen Schritt gewagt und seinen Produktionsstandort für Fensterprofile aus Deutschland nach Kasachstan verlegt, näher heran an potenzielle Neukunden. Auch Russland sei als Standort infrage gekommen. „Doch es wurde Kasachstan, weil in Russland fast alle westeuropäischen Hersteller von Fensterprofilen präsent sind.“ 8 bis 10 Mio. EUR Umsatz habe man ursprünglich pro Jahr geplant. Doch drei Jahre nach dem Umzug aus Sendenhorst nach Astana hat Funke Kunststoffe das Werk an einen kasachischen Investor verkauft.
„Zwischen 50 und 70 Prozent unserer Produktion gingen in den Export – genau das, was die kasachische Regierung will: einheimische Produktion, Exporte steigern.“ Das Unternehmen habe jedoch nie wirtschaftlich arbeiten können, weil die Mehrwertsteuerrückerstattung durch die kasachischen Finanzbehörden nicht reibungslos funktioniere, so Koch. Selbst auf höchster Ebene habe man keine Lösung finden können. Für Kasachstan sind derartige Erfahrungen verheerend. Will das Land wirklich eine Alternative zu Russland sein und das Sprungbrett nach Zentralasien bleiben, muss die Regierung ernsthaft am Klima für Investoren arbeiten. Denn Usbekistan, der südliche Nachbar, ist selbst auf dem Sprung.