Deutsche Allgemeine Zeitung, 21.11.2008
Die Wasser-Probleme in Zentralasien gehen weit über den austrocknenden Aralsee hinaus. Seit Jahren können sich die Länder Zentralasiens über die Nutzung der Zuflüsse des Aralsees nicht einigen. Jetzt will sich Deutschland als Konflikt-Manager profilieren, unter anderem mit Beteiligung der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und des Potsdamer Geoforschungszentrums. Der „Berliner Wasser-Prozess“, eine Initiative von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, soll die fünf Länder an einen Tisch holen – und Deutschlands Einfluss in der ölreichen Region stärken.
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Der Aralsee versiegt, schuld ist die Baumwolle – so ist es schon seit Jahrzehnten. Inzwischen gehen die Wasser-Probleme in Zentralasien jedoch weit über den Aralsee hinaus. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion können sich die fünf Ex-Sowjetrepubliken nicht über die Nutzung der Zuflüsse des Aralsees einigen.
Deshalb hat Deutschland ein Programm für grenzüberschreitendes Wassermanagement ins Leben gerufen, das, ähnlich wie die Internationalen Kommissionen zum Schutz von Rhein und Donau, die Nutzung von Syrdaria und Amudarja und ihrer Nebenflüsse in Zentralasien regeln soll.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat den so genannten „Berliner Prozess“ ins Leben gerufen, der innerhalb der EU-Zentralasien-Strategie zu einer effektiven, konfliktfreien Nutzung der Wasserressourcen in Zentralasien beitragen soll. „Wir wollen ein Katalysator sein, um die Wasserprobleme in Zentralasien langfristig zu lösen“, so Hedi Wegener, Vorsitzende der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Man wolle jedoch keine politischen Lösungen von außen diktieren, dies müssten die Länder in gemeinsamer Arbeit selbst leisten.
Im Auftrag des Auswärtigen Amtes wird die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ab kommendem Jahr ein Projekt für grenzüberschreitendes Wassermanagement umsetzen und die fünf zentralasiatischen GUS-Republiken Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan sowie Afghanistan an einen Tisch holen.
So sollen die regionale Kooperation beim Wassermanagement gefördert und bewährte Methoden für das Management von grenzüberschreitenden Flusseinzugsgebieten eingeführt werden. Ausgewählte, von den Ländern selbst benannte Regionen, wie beispielsweise das Murghab-Flussgebiet an der Grenze zwischen Turkmenistan und Afghanistan mit stark mineralisch belastetem Trinkwasser, will man zu Pilotprojekten ausbauen.
Im Rahmen der Wasserinitiative werden neben der GTZ auch das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an dem Programm beteiligt sein und vor allem für die Bereitstellung und Analyse von wissenschaftlichen Daten sorgen. Die Deutsch-Kasachische Universität Almaty (DKU) wird im Rahmen eines neuen Studiengangs Wasserexperten für die gesamte Region ausbilden.
Die Wasserkonflikte in Zentralasien haben sich mit der Energiekrise im vergangenen Winter, der anhaltenden Trockenheit in der Region und der weltweiten Lebensmittelkrise in diesem Jahr noch weiter verschärft. Grund dafür sind die unterschiedlichen Interessen der fünf Ex-Sowjetrepubliken.
Die Staaten am Unterlauf der Flüsse – Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan – benötigen das Wasser im Sommer für die Landwirtschaft: Baumwolle, Weizen und Reis, die wichtigsten Anbaukulturen dieser Länder, müssen bewässert werden. Tadschikistan und Kirgistan dagegen, die Staaten an den Oberläufen, brauchen das Wasser im Winter zur Energiegewinnung.
Zu Sowjetzeiten waren die fünf Länder wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Dafür, dass Kirgistan und Tadschikistan das Wasser aus großen Stau- und Wasserkraftwerken je nach benötigtem Bewässerungsregime in Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan abließen, wurden sie im Gegenzug im Winter mit ausreichend Öl, Gas und Kohle versorgt.
Nach der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Staaten brach die verordnete Abhängigkeit auf. Vor allem die beiden Bergländer Kirgistan und Tadschikistan, ohne nennenswerte eigene fossile Brennstoffvorkommen, setzen nun auf Wasserkraft, um selbst Energie zu erzeugen. Das bedeutet, sie lassen das aufgestaute Wasser im Winter ab. So fehlt es dann in den Nachbarländern im Sommer zur Bewässerung.
Nach Angaben der ICWC, der Zwischenstaatlichen Kommission für Wasserkoordination in Zentralasien, bereits im Jahr 1993 von den fünf zentralasiatischen Ländern gegründet, verbrauchen die Bergländer Kirgistan, Tadschikistan und Afghanistan jährlich etwa 17 Prozent der natürlichen Wasserressourcen, die Länder an den Unterläufen dagegen 83 Prozent.
Dennoch fühlen sich vor allem Usbekistan und Kasachstan durch die Oberlieger bedroht – können die doch quasi den Hahn auf- und zudrehen. So ist in Tadschikistan am Wachsch, einem Zufluss des Amudarja, der bereits 1976 geplante Rogun-Staudamm im Bau. Bei Fertigstellung wäre er mit insgesamt 335 Metern der höchste Staudamm der Welt. Usbekistan blockierte bisher alle Verhandlungsversuche der Tadschiken zum weiteren Ausbau des Rogun-Staudamms. Mit dem Toktogul-Staudamm in Kirgistan kann praktisch der gesamte Syrdaria, der größtenteils über kasachisches Territorium fließt, reguliert werden.
Obwohl es bereits seit Anfang der 90er-Jahre eine Reihe von Vereinbarungen und Institutionen zur Lösung der Wasserkonflikte in Zentralasien gibt – neben der ICWC auch der Internationale Fond zur Rettung des Aralsees (IFAS) – konnten sich die fünf Staaten bis heute nicht einigen. „Die Vereinbarungen widersprechen sich teilweise gegenseitig,“ so Baratali Koshmatow, Chef der Abteilung für Wasser beim kirgisischen Ministerium für Landwirtschaft und Wasser. „Es ist Zeit für eine Inventur“.
Nach Meinung von Experten der GTZ und des GFZ wird sich die Problematik künftig noch weiter verstärken, wenn auch Afghanistan im Rahmen des Wiederaufbaus des Landes am Oberlauf des Amudarja, des größten Flusses Zentralasiens wieder mehr landwirtschaftliche Flächen bewässern wird. Der Klimawandel wird in Zentralasien dazu führen, dass die natürlichen Wasserressourcen abnehmen – auch hier schmelzen die Gletscher.
Deutschland will mit der Initiative seinen Einfluss in der öl- und gasreichen Region Zentralasien stärken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Deutschland mit der Zentralasien-Strategie zum einen gegenüber den anderen EU-Partnern mit einer eigenen Einflusssphäre im Osten profilieren will. Zum anderen gilt es, sich eine gute Verhandlungsposition beim Kampf um Energiequellen zu sichern.
Die Chancen, dass das gelingen wird, stehen gut – trotz der Konkurrenten Russland, USA und China, die ihre Claims in Zentralasien längst abgesteckt haben. Traditionell haben die Deutschen in Zentralasien einen guten Ruf. Ob sie hier zu einem Global Player werden, wird auch von ihren Erfolgen als Wasserkonflikt-Manager abhängen.