Kasachstan mischt mit in der großen Weltpolitik
Das ist es, was Nursultan Nasarbajew seit seiner erstmaligen Wahl zum Präsidenten im Jahr 1991 anstrebt. Er sieht sich gerne als internationaler Vermittler. Am 23. und 24. Januar nun wurde der Traum ein bisschen wahr – in Astana fanden die Friedensgespräche zu Syrien statt.
Russland, die Türkei und der Iran hatten die Konferenz im Hotel Rixos President Astana organisiert. Gekommen waren Vertreter der syrischen Regierung und der Rebellen. Direkt aufeinander trafen sie nur für das Eröffnungsfoto, dann wurde durch Unterhändler in verschiedenen Räumen verhandelt. – Konkrete Ergebnisse gab es bei der Konferenz nicht. Die für Anfang Februar angesetzte Folge-Konferenz soll nun erst Ende des Monats in Genf stattfinden. Kasachstan jedenfalls sei bereit, den so genannten Astana-Prozess zu vertiefen und stehe für weitere Treffen auch künftig zur Verfügung.
Zwei überraschende TV-Auftritte
Seine Landsleute erstaunte Nasarbajew gleich zweimal. Zweimal wandte er sich per TV-Botschaft ans Volk – und beide Male völlig überraschend. Am 25. Januar kündigten staatliche Medien einen Auftritt des Präsidenten am selben Abend an, die sozialen Netzwerke liefen vor Spekulationen heiß. Wolle Nasarbajew womöglich seinen Rücktritt bekannt geben? – Nichts dergleichen. Er unterbreitete die Idee einer umfangreichen Verfassungsänderung. Der Kern: Eine teilweise Übergabe legislativer Gewalt vom Präsidenten an das Parlament.
Trotz der teils nur kosmetisch wirkenden Anpassungen in der Verfassung könnte das ersten Schritt sein, mit dem der Präsident seinen Rückzug vorbereitet, zumindest aber für eine Post-Nasarbajew-Ära plant, so einige Experten. Wie demokratisch die Stärkung eines von der Regierungspartei Nur Otan dominierten Parlaments sein kann, bleibt erst einmal fraglich.
Fünf Tage später – TV-Botschaft Präsident , die Zwote. Nasarbajew gibt bekannt, er werde seine diesjährige Rede zur Lage der Nation nicht persönlich halten, sondern sie am nächsten Tag in schriftlicher Form vorlegen werde. – Was?! Wozu dann dieser Auftritt? Was es dann zu verkünden gab – Kasachstan müsse sich den Herausforderungen der internationalen Politik und globaler Wirtschaftsstrukturen stellen und würde nun eine „3. Phase der Modernisierung” vornehmen.
Viel inszenierte Nähe zum Volk also, bisher noch ohne viel Konkretes. Bis Ende Februar sollen die Verfassungsänderungen öffentlich diskutiert werden. Dann wird es spannend. Ein Referendum vielleicht?
Nichts Gutes aus der “Vorzeige-Demokratie” Kirgistan
Keine guten Nachrichten kommen aus der „zentralasiatischen Vorzeige-Demokratie“ Kirgistan. Das Gericht der Oblast Chui hat am 24. Januar die lebenslange Haft für den Menschenrechtler Azimjan Askarov bestätigt. Der 66-jährige ethnische Usbeke kirgisischer Staatsbürgerschaft soll die Konflikte zwischen Usbeken und Kirgisen im Jahr 2010 angeheizt haben und in die Tötung eines Polizisten verwickelt gewesen sein.
Das Urteil wurde von kirgisischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen als politisch motiviert angesehen.
Debatte über radikalen Islam
Eine spannende Debatte hat sich über einen Report der International Crisis Group (ICG) aus Oktober 2016 über zunehmende religiöse Radikalisierung in Kirgistan entfaltet – der letztlich auch die Nachbarstaaten betrifft. Seine These: „Durch das Fehlen politischen Pluralismus‘, eines verlässlichen Staates und wirtschaftlicher Möglichkeiten, greift eine wachsende Zahl von Bürgern auf die Religion zurück.“ Dies führe schließlich unter den in Kirgistan herrschenden politischen und gesellschaftlichen Bedingungen zu Radikalisierung.
Eine Gruppe von 25 Wissenschaftlern aus Zentralasien, Europa, Russland und den USA hat den Bericht in einer gemeinsamen Erklärung verrissen. Falsche Grundannahmen und eine unsaubere Methodologie hätten zu Schlussfolgerungen geführt, die von den Wissenschaftlern nicht geteilt würden. Diese seien aber umso gefährlicher, da die Arbeit der ICG weltweit Entscheidungsträger erreiche und Grundlage für die Politik gegenüber den zentralasiatischen Staaten sei.
Die Hinwendung zu Religion, so die Wissenschaftler, führe nicht automatisch zu Radikalisierung, schon gar nicht in Kirgistan. Die überwiegende politische Tendenz in Zentralasien sei nicht die Zunahme von Instabilität und Konflikten, sondern die allmähliche Konsolidierung autoritärer Regime, mit unterschiedlichem Grad der Repression, in mindestens vier der fünf Staaten.
Die ICG hat auf den Brief geantwortet, weist allerdings methodische Fehler zurück und freut sich auf einen Fortgang der Diskussion.
Family Business statt Versöhnungspolitik in Tadschikistan
Der Präsident von Tadschikistan, Emomali Rahmon, hat seinen ältesten Sohn, den 28-jährigen Rustam Emomali zum neuen Bürgermeister von Duschanbe gemacht. Der Präsidentensohn folgt dem 64-jährigen Makhmadsaid Ubaidulloev, der die Stadtverwaltung der Hauptstadt seit 1996 geleitet hatte und als einer der mächtigsten Männer des Landes neben dem Präsidenten galt.
Ubaidulloev bleibt vorerst Parlamentsvorsitzender. Jedoch wird gerade einem Korruptionsverdacht aus seiner Zeit als Bürgermeister nachgegangen. Im Rahmen den Wohnungsbauprogramms „Dostupnoe Zhilyo“ (Erreichbarer Wohnraum) sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, so die Staatsanwaltschaft. Möglicherweise wird auch dies noch ein Nachspiel für den Ex-Bürgermeister haben.
Dass der Kahlschlag bei einflussreichen Positionen in Tadschikistan nun einen Vertrauten des Präsidenten aus dem engsten Kreis trifft, ist kein gutes Zeichen. Rahmon hatte in den letzten zwei Jahren schon geschickt die ohnehin kaum aktive Opposition im Land ausgeschaltet, indem er die Partei der Islamischen Wiedergeburt, die 2015 keinen Sitz mehr im Parlament erringen konnte, im selben Jahr auch noch zur terroristischen Organisation erklärt hatte.
Damit kündigte Rahmon allerdings auch Abmachungen auf, die die Konfliktparteien des 1997 beendeten Bürgerkriegs befriedet hatten. Ex-Bürgemeister Ubaidulloev war einer der letzten Kampfgenossen des Präsidenten aus dieser Zeit. Und einer derjenigen, die Rahmon zum Aufstieg verholfen hatten. Will Rahmon seine Macht nun nur noch mit den engsten Vertrauten aus dem Kreise seiner Familie teilen, könnte das durchaus weitreichende politische Folgen für die politische Stabilität Tadschikistans haben.
Turkmenistan ärgert sich, der Präsident singt
Von Tadschikistan provoziert sah sich dieser Tage Turkmenistan. Eine Eisenbahnlinie nach Russland wolle man zwar durch Usbekistan bauen, Turkmenistan allerdings solle abseits liegen bleiben, so ein offizielles Statement tadschikischer Behörden. Geographisch gesehen macht das durchaus Sinn. Liegt Turkmenistan doch erheblich weiter westlich. Für dieses jedoch war die Erklärung ein Affront.
Diplomatische Verstimmungen pflegt Turkmenistan derzeit auch mit dem Nachbarland Iran. Grund dafür ist eine Erklärung von Hamid Reza Arago, Chef der Nationalen Iranischen Gasgesellschaft (NIGC) Es ging um „finanzielle Unstimmigkeiten“ zwischen den beiden Ländern über Gaslieferungen aus Turkmenistan in den Iran im Rahmen eines so genannten Take-or-Pay-Vertrags. Solche ToP-Verträge, sind Lieferverträge in der Gaswirtschaft, in denen sich der Verkäufer verpflichtet, Gas bis zu einer festgelegten Menge zu liefern, und der Käufer sich verpflichtet, diese Menge zu bezahlen, unabhängig davon, ob er diese Menge auch tatsächlich abgenommen hat. – Iran habe nicht gezahlt, so Turkmenistan. Jetzt könnte die Sache vor einem internationalen Schiedsgericht landen.
Der turkmenische Staatschef Gurbanguly Berdimukhamedov legte – unbeeindruckt vom Erdgasstreit, aber in passendem Ambiente – beim Besuch eines neuen petrochemischen Komplex‘ einen seiner legendären Auftritte vor ausgewähltem Publikum hin. Mit Gitarre und Gesang zeigte er den Angestellten sein Können.
Durchregieren geht auch in Usbekistan anders
Der im Dezember frisch gewählte Präsident Usbekistans Shavkat Mirziyoyev kämpft in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit mit den Resultaten seiner ersten flugs erlassenen Verordnungen. Die im Dezember geschaffene Möglichkeit zur visafreien Einreise – unter anderem für Deutschland, Österreich und die Schweiz – wurde in einer Rolle rückwärts wieder außer Kraft gesetzt und „auf 2021 verschoben“. Innenministerium und Außenministerium sowie den Komitees für Tourismus und Zollfragen war das dann doch etwas zu viel Freizügigkeit.
Dafür empfahl Mirziyoyev seinen Landsleuten, sich stärker in Sachen Geflügelzucht zu engagieren. Seinen Vize-Premier und Finanzminister Rustam Azimov – der nach dem Ableben des langjährigen Präsidenten Islam Karimov im vergangenen Jahr als eine Option auf die Nachfolge gehandelt worden war – beauftragte Mirziyoyev mit der Umsetzung der „Mission Legehenne“. 100 Stück davon solle es künftig in jedem Hof in Usbekistan geben. Die Bevölkerung müsse mit einer breit angelegten Kampagne von der Attraktivität des Kleinunternehmertums überzeugt werden, für das die Zucht von Federvieh ausgezeichnetes Potenzial habe.
Eine wirklich gute Nachricht aus Usbekistan gibt es aber auch: 2,6 Mrd. US-Dollar will das Land in den nächsten fünf Jahren ausgeben, um die Region um den Aralsee zu entwickeln. So sollen Jobs geschaffen, Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung gebaut und die medizinische Versorgung verbessert werden.
Das wird den größeren Teil des Aralsees, der auf usbekischer Seite liegt (der kleinere Teil liegt in Kasachstan) nicht retten oder gar den See in alter Größe zurückbringen. Es ist aber zunächst ein Anfang. Vor allem die Menschen in der ökologisch stark belasteten Region brauchen diese Hilfe dringend.
Und sonst?
Was sagt Zentralasien beispielsweise zu Trump? – Die autokratischen Herrscher begrüßen seine Wahl zwar nicht mit stehenden Ovationen, werden sich aber im Stillen sicher die Hände reiben.
Wenn alles nach Amerika schaut und der Westen, vor allem Europa, sich in seiner Angststarre eben erst einmal selbst sortieren muss, werden schlicht weniger internationale Partner vor den Türen Zentralasiens stehen und Demokratie fordern. Die Länder werden in der nächsten Zeit vermutlich davonkommen, sollten sie die Daumenschrauben anziehen wollen. Das Korrektiv der demokratischen Welt und der Verpflichtungen dieser Welt gegenüber wird in Zentralasien geringer.
Die Ähnlichkeiten zwischen Zentralasien und dem, was möglicherweise auf die USA zukommt, hat die US-amerikanische Journalistin und Zentralasien-Kennerin Sarah Kendzior übrigens schon vor einem Jahr erkannt. Sie hat auch Empfehlungen, wie mit einer „sich beschleunigenden Autokratie“ umzugehen ist.