n-ost, 01.12.2010
Kasachstan lädt zum OSZE-Gipfel in Astana. Für das Land und seinen Präsidenten ist es der außenpolitische Höhepunkt dieses Jahres, doch um mit den Großen der Weltpolitik mitzuhalten, gehört mehr als der reibungslose Ablauf des Gipfels.
Das öffentliche Leben in Kasachstan steht seit Tagen still. Das Land will sich zum zweitägigen Gipfeltreffen der 56 OSZE-Staaten von seiner besten Seite zeigen: Schulen und Universitäten in Astana sind geschlossen, die chaotischen, aber allgegenwärtigen Taxis wurden aus dem Verkehr gezogen, Obdachlose aufs Land verschickt und Mietshausbewohner angewiesen, während des Gipfels nicht den Balkon zu betreten.
Doch das Innehalten ist wohl kaum die Ehrfurcht der Kasachen vor Politikern wie Dimitri Medwedjew, Hillary Clinton oder Angela Merkel, die der engagierten Initiative des kasachischen Präsidenten für ein OSZE-Treffen, das erste seit 1999, nicht ausschlagen mochten und nun anreisen. Es zeigt nur die Unsicherheit eines Staates, der den selbst geschaffenen rechtsstaatlichen Strukturen nicht traut und stattdessen auf Polizeigewalt setzt. Wer sich dieser Tage den Befehlen in Astana widersetzt – unter Umständen nur ein Taxi sucht – muss damit rechnen, von der Polizei festgehalten und verhört zu werden.
Für den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew ist trotzdem klar, dass sein Land auf Augenhöhe mit den Großen der Weltpolitik steht. Gerne inszeniert sich Nasarbajew, der Kasachstan seit 1991 regiert und sich sein Amt durch mehrmalige Verfassungsänderungen auf Lebenszeit gesichert hat, als Vordenker einer liberalen Weltordnung: Er warb auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise für eine Weltwährung und proklamiert das Miteinander der Religionen. Bei den blutigen Unruhen zwischen verschiedenen Ethnien im benachbarten Kirgistan im Juni dieses Jahres enthielt Nasarbajew sich vorsichtig der Diskussion um ein militärisches Eingreifen. Innenpolitisch steht er für Stabilität, wenn auch mit totalitärer Hand erzwungen: Seit Mai dieses Jahres firmiert der ehemalige Hüttenwerker als „Führer der Nation.” Dass er den Titel zunächst bescheiden ablehnte, ließ die Führungsriege um ihn herum nicht gelten.
Einer der größten politischen Erfolge ist für Nasarbajew schon jetzt, dass Kasachstan trotz heftiger internationaler Kritik auch innerhalb der OSZE in diesem Jahr deren Vorsitz übernommen hat. Gekrönt werden soll der nun durch einen 43 Millionen Dollar teuren, reibungslosen Ablauf des Gipfeltreffens und eine Schlusserklärung, die der OSZE künftig als Referenz und der Hauptstadt Astana als Platzhalter in der Weltgeschichte dienen wird.
Doch obwohl Nasarbajew zu Beginn des Vorsitzes beteuert hatte, er werde sein Land demokratisieren, hat er trotz internationaler Beobachtung kaum etwas erreicht. Pressefreiheit und Regimekritik sind in Kasachstan immer noch unerwünscht. Menschenrechtler prangerten vor dem OSZE-Gipfel den Mangel an Demokratie in Kasachstan an: Die Initiative „Kazakhstan – OSCE 2010″, zu der sich mehrere kasachische Menschenrechtsgruppen zusammenschlossen, forderte die Freilassung des Menschenrechtlers Jevgeny Zhovtis, der nach einem tödlichen Autounfall zu mehreren Jahren Arbeitslager verurteilt wurde. Die „zahllosen Verletzungen von Rechtsnormen während des Prozesses” und das „unangemessene Verhältnis zwischen Schuld und Strafe” zeigten, dass es nur darum ging, „einen Kritiker auszuschalten”, so die Aktivisten.
Diesen Appell wird Astana mit derselben Selbstgewissheit aussitzen, die schon andere Partner erlebt haben. Denn auch für internationale Investoren weht der Wind derzeit härter: So wird dem italienischen Ölkonzern ENI, der das Ölfeld Kashagan erschließen sollte, Betrug vorgeworfen: Die Kosten für das Gesamtprojekt seien zu niedrig angesetzt worden. Experten jedoch sind sicher, dass der Staat in Wahrheit unliebsame Konkurrenz für den staatseigenen Ölkonzern KazMunaiGaz ausschalten will.
Selbst Deutschland steht davor, von Kasachstan geprellt zu werden. Denn Exportgeschäfte in Kasachstan wurden durch so genannte Hermesdeckungen versichert, auch über die seit Monaten schlingernde Bank Astana Finance, an der der kasachische Staat einen Anteil von 25,51 Prozent hält. Insgesamt ist die Bank mit rund 270 Millionen Dollar bei mehreren internationalen Exportkreditunternehmen wie Hermes verschuldet, die Restrukturierung steht zur Diskussion. Durch eine Patronatserklärung für Astana Finance ist eigentlich der kasachische Staat in der Zahlungspflicht, doch bisher kam aus Kasachstan lediglich ein Angebot, 15 Prozent der Schulden zurückzuzahlen. Indiskutabel, so die Gläubiger.
Nun hofft man darauf, dass Bundeskanzlerin Merkel beim OSZE-Gipfel die Hermesausstände auf höchster Ebene anmahnen wird. Sollte die kasachische Regierung sich weiterhin nicht verantwortlich fühlen, hat der deutsche Steuerzahler die Misswirtschaft von Astana Finance zu tragen. Schadenssumme: 60 Millionen Euro.