Kasachstan: Medienkonferenz ohne Journalisten
Kasachstan hat dank seiner riesigen Rohstoffvorräte beste Entwicklungschancen. Mit dem alljährlichen Medienforum will das Land zunehmende Demokratisierung und Führerqualitäten in der Region zeigen. Doch anders als der Name verspricht, wurden beim Eurasian Media Forum kaum Probleme der Presse in der Region angesprochen.
Der Präsident von Kasachstan persönlich eröffnete das diesjährige Eurasia Media Forum in Almaty. Sein Auftritt – gleich dem eines siegessicheren Boxers. Und einen harten Kampf hatte Nasarbajew tatsächlich nicht zu fürchten.
Dariga Nasarbajewa, die Tochter des kasachischen Präsidenten, ist Schirmherrin des alljährlichen Medienforums. Als Inhaberin der größten Medienholding Kasachstans – der Senderkette “Chabar” – gilt Dariga als die Medienspezialistin in der Präsidentenfamilie, das Medienforum als ihr persönliches Baby. Auch politisch steht die Präsidententochter dem Vater nahe, sie ist Parlaments-Abgeordnete der Präsidentenpartei Nur-Otan.
Kasachstan gilt zwar als das stabilste und entwicklungsstärkste Land in Zentralasien, aber eben auch als autokratisch geführt. Unter diesen Vorzeichen erwarteten die einheimischen Journalisten keinen ernsthaften Austausch zu Medienproblemen ihres Landes, zumal sie nur als Beobachter geladen waren. Ajan Scharipbajew, Journalist bei “Swoboda Slowa”, einer der wenigen Oppositions-Zeitungen des Landes:
“Das ist kein Forum von Journalisten, sondern ein Forum für Journalisten. Sie sollen herkommen, sich die Sache anschauen und nur schnell wieder gehen. – Man könnte hier über die Journalisten sprechen, die vor nicht allzu langer Zeit umgekommen sind, über die, die ruhig gestellt wurden, darüber, warum hier so etwas vorgeht und wie das sein kann.”
Scharipbajew spielt auf den jüngsten ungeklärten Fall verletzter Journalistenrechte an. Seit Ende März wird die kasachische Journalistin Oralgaischa Omarschanowa vermisst. Nach zahlreichen Morddrohungen im Zuge von Recherchen zu ethnischen Konflikten und Korruptionsvorwürfen verschwand sie spurlos. Bis heute ist unklar, wo sie ist.
Doch gerade solche Themen haben die Organisatoren des Eurasia Media Forums vermieden. Stattdessen diskutierte man die Nuklearpolitik des Iran oder den möglichen OSZE-Vorsitz Kasachstans. Politiker-Größen wie Mohammed Khatami, Richard Holbrooke oder Jewgeni Primakow gehörten zu den Gästen.
Den Vorwurf, sich zu sehr globaler Politik zu widmen anstatt konkreter Medienprobleme vor Ort, weist der Direktor des Forums, Wladimir Reyrich, zurück:
“Es ist sehr schwierig, Leute zu finden, die professionell über Journalismus reden. Vor allem Journalisten selbst können das nicht. Weil sie zu sehr in ihren Beruf eingebunden sind. In der Politik ist das ganze Spektrum von Politologen, Kulturwissenschaftlern, Philosophen vereint. Ihre Reflexe sind besser ausgeprägt. Journalisten tun Tagesarbeit, sie sind einfach zu sehr mit der Sache an sich beschäftigt. – Und zum Problem, dass Medien nicht immer frei über Politik sprechen – das liegt daran, dass Medien und Politik ein und dasselbe sind. Leider.”
Immerhin – erstmals seitdem das Medienforum stattfindet, wurden auch Vertreter der kasachischen Opposition geladen. Assylbek Koschachmetow, Chef der Oppositions-Partei “Alga!”
“Das ist ein Schritt vorwärts. Und ich glaube, auch der Wechsel zu politischen Themen ist ein Schritt nach vorn. – Das große Minus aber ist, dass die Stimmen der kasachischen Journalisten nicht gehört werden, obwohl es ein Medienforum ist. – Es gibt in Kasachstan eigentlich keinen unabhängigen Fernsehkanal, keinen einzigen Radiosender. Es gibt ein paar Zeitungen. Aber das Mediengesetz engt die Presse ganz klar ein. Für die Umbesetzung des Chefredakteurs oder eine Adressänderung ist die Erlaubnis des Ministeriums nötig. Und jetzt versuchen sie, auch die Druckereien zu lizenzieren.”
Für den kasachischen Minister für Kultur und Information, Ermuhamet Ertisbajew, dem alle Medien in Kasachstan unterstehen, überwiegen dagegen andere Medienprobleme:
“Das erste wichtige Problem in Kasachstan sind journalistische Ethik und die Selbstregulierung der Massenmedien. Uns fehlt die Erfahrung des Westens, beispielsweise die von Deutschland, dort gibt es kein Mediengesetz, aber journalistische Ethik und Selbstregulierung. Ein Chefredakteur setzt sich selbst Grenzen, welche Themen er veröffentlicht und welche eventuell so drastische Folgen haben können wie die Mohammed-Karikaturen der dänischen Presse.”
Was Selbstregulierung allerdings bedeuten kann, wenn ganze Zeitungsauflagen konfisziert und Blogger vom Präsidenten verklagt werden – oder wenn Journalisten spurlos verschwinden, dazu schweigt der Informationsminister.
Für Ajan Scharipbajew von der Zeitung “Swoboda Slowa” war das Eurasia Media Forum in diesem Jahr eher unbedeutend. Aber er hofft auf das nächste Jahr.
“Wahrscheinlich werde ich schreiben, dass die Themen für Journalisten irrelevant waren, dass die Journalisten, die eingeladen waren, nicht wussten, wozu sie hier sind. Das nächste Mediaforum wird hoffentlich anders. Vielleicht gibt man uns endlich die Möglichkeit, über Themen zu reden, über die wir sprechen wollen.”