scinexx.de, 20.03.2009

Mit der Erdgas-Pipeline Nabucco will Europa seine Energiequellen diversifizieren. Obwohl der Bau der Pipeline – über die Türkei, Bulgarien,  Rumänien und Ungarn bis nach Österreich – in der Europäischen Union politisch gewollt ist, ist längst nicht klar, wie erfolgreich das mit 200 Millionen Euro Anschubfinanzierung gestützte Projekt sein wird.  Nur eines scheint bisher sicher: Nabucco fehlt das Gas. – Ein Blick auf den Kaspischen Raum im Rahmen eines Themenschwerpunkts zur Energiesicherheit in Deutschland: “Geht uns der Strom aus? – Gazprom, Pipelines und die deutsche Energieversorgung”

Direktzugriff an Russland vorbei
Im Jahr 2002 fanden erstmals Gespräche zwischen dem Österreichischen Energieunternehmen OMV, dem größten österreichischen Energie-Konzern, und der türkischen BOTAS statt, um Möglichkeiten auszuloten, wie Südosteuropa sich von den Transitwegen russischen Erdgases unabhängiger machen könnte.

Wie auch der Erdgasstreit zwischen Russland und der Ukraine in diesem Jahr gezeigt hat, sind vor allem Südost- und Ostmitteleuropa besonders von den Transitländern Ukraine und Weißrussland abhängig.

Ende 2002 dann schloss sich ein Konsortium aus der österreichischen OMV, der türkischen BOTAS, MOL aus Ungarn, der bulgarischen Energie-Holding EAD, der deutschen RWE und Transgaz aus Rumänien zusammen, um den Bau einer alternativen Gasversorgung in Angriff zu nehmen. Das Nabucco getaufte Projekt soll die Gasfelder rund ums Kaspische Meer an Europa anschließen und eine Alternative zum russischen Erdgas bieten.

Prestigeobjekt der EU
Die Pipeline soll an bestehende Pipelines zwischen Kaspischem Meer und Mittelmeer angekoppelt werden und von der Türkei über Bulgarien, Rumänien und Ungarn bis zur österreichischen Verteilerstation Baumgarten verlaufen. Die Transportkapazität soll bei 31 Milliarden Kubikmetern pro Jahr liegen. Zum Vergleich, der Erdgasbedarf ganz Europas liegt jährlich bei etwa 500 Milliarden Kubikmetern Gas.

Nabucco ist politisch gewollt und ein Prestigeprojekt der EU, die damit einen doppelten Weg zur Diversifizierung sieht: Zum einen entsteht ein neuer Transportkorridor, zum anderen wird ein bisher nur indirekt über die russischen Erdgasleitungen an Europa gekoppeltes Fördergebiet erschlossen. Denn bisher münden alle Gasleitungen rund ums Kaspische Meer und aus Zentralasien, also aus erdgasreichen Ländern wie Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan oder Turkmenistan, in das russische Leitungsnetz. Die EU hat dem Projekt deshalb gerade zu Beginn dieses Jahres eine Anschubfinanzierung von 200 Millionen Euro gewährt. Der Beginn der ersten Phase Bauphase ist für 2011 vorgesehen.

Pipeline ohne Gas?
Ein Problem jedoch tut sich für Nabucco auf: Der Pipeline fehlt das Gas. Aserbaidschan hat zur Belieferung von Nabucco das Gasfeld Schach Deniz vorgesehen. Zur Sicherheit müssten aber noch weitere Felder erschlossen werden, was bisher nicht geschehen ist. Zudem hat Aserbaidschan Lieferverträge mit Russland, die auch erfüllt werden müssen.

Turkmenistan, das nach Meinung von internationalen Experten neben Russland, Iran und Katar zu den weltweit führenden Erdgas-Nationen gehört, die Reserven bisher aber kaum erschlossen hat, kommt als Lieferant ebenfalls in Frage, genau wie Usbekistan und Kasachstan.

Wenig Zustimmung bei Exporteuren
Doch diese drei Länder geben sich bisher in Bezug auf Nabucco sehr zurückhaltend, haben sie doch traditionell sehr enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Zudem sehen diese Länder vor allem im quasi „um die Ecke“ gelegenen China einen Handelspartner, der politisch weniger fordernd und zahlungsfreudiger ist als die EU-Staaten. Sowohl Russland als auch China sind in Zentralasien bereits sehr stark am Pipeline-Bau und der Expoloration neuer Gasfelder engagiert.

Auch die Transitfragen der Nabucco-Pipeline sind noch nicht abschließend geklärt. Auch die Türkei möchte zu einem eurasischen Gasumschlagplatz werden und eine Verteilerstation errichten. Das ist den Europäer allerdings weniger recht. Nach dem Gasstreit hat die Türkei bereits gedroht, die Bereitschaft zu Nabucco von den EU-Beitrittsverhandlungen abhängig zu machen. Ärger ums Gas scheint also trotz ambitionierter neuer Transportwege weiterhin vorprogrammiert.

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