Die Presse, 25.06.2011
Die Hauptstadt Astana schmückt sich nach der Krise wieder mit Immobilien der Superlative. Doch der Markt hat sich noch nicht komplett erholt, Wohnraum ist knapp. Experten warnen bereits vor der nächsten Blase.Das neue Markenzeichen Astanas ist über 150 Meter hoch und mehr als 100.000 Quadratmeter groß: Eine überdachte Kleinstadt mit Kinos, Stränden und botanischem Garten. Erst im vergangenen Jahr wurde Khan Shatyr, das größte Zelt der Welt eröffnet. Es ist Shoppingmeile und Vergnügungspark in einem und wurde vom britischen Stararchitekten Sir Norman Foster entworfen. Hier sollen sich die Bewohner Astanas auch im bis zu Minus 40 Grad Celsius kalten kasachischen Winter wie am Mittelmeer fühlen.
Das größte kasachische Prestigeprojekt wurde mit zwei Jahren Verspätung fertiggestellt. Die Weltwirtschaftskrise stoppte den Bauboom Kasachstans und erschütterte das Land. Bereits 2007 erlebte es den wirtschaftlichen Zusammenbruch – als eines der ersten Länder weltweit.
Dank der global bedeutenden Ressourcen an Erdöl, Erdgas und Uran verzeichnete das zentralasiatische Land ab dem Ende der 1990er-Jahre regelmäßig steigende Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent. Geld spielte für die kasachische Regierung keine Rolle, um der ehemaligen und bis zur Unabhängigkeit 1991 kaum erschlossenen Sowjetrepublik zu mehr Prestige zu verhelfen.
Die Städte Almaty und Astana wurden 2007 von der platzenden Immobilienblase erschüttert. Die Banken Kasachstans, einst ein Musterbeispiel für das reformierte Finanzsystem im gesamten Ostblock, waren zu diesem Zeitpunkt stark von günstigen ausländischen Finanzierungen abhängig. Steigende Löhne und niedrige Zinsen boten Privatanlegern erstmals überhaupt die Möglichkeit zu investieren. Da es in Kasachstan kaum alternative Anlagemöglichkeiten gab, waren Immobilien besonders beliebt und galten als wertbeständig.
Doch die günstigen Kreditbedingungen förderten Spekulationen. „Investoren kauften mithilfe von Hypotheken Objekte zu Discount-Preisen, die noch nicht einmal gebaut worden waren”, erklärt die kasachische Immobilienanalystin Symbat Abilkhassimowa.
Dann habe man darauf gewartet, dass die Objekte durch die stetig steigende Nachfrage an Wert gewannen. Verkauft wurde zu weitaus höheren Preisen, die trotz der Rückzahlung an die Bank hohe Gewinne ermöglichten. „Vom Standpunkt eines Investors aus waren diese Geschäfte unheimlich attraktiv – es wurde Geld buchstäblich aus heißer Luft gemacht.”
Bis zum Herbst 2007 gehörten Wohnungen und Büroräume in Almaty und Astana mit Preisen von bis zu 4000 US-Dollar pro Quadratmeter zu den teuersten weltweit – gleich nach London, Paris und Moskau. Insgesamt betrugen die Investitionen in Immobilien im Jahr 2007 knapp 500 Milliarden Tenge, das entspricht umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro.
Doch mit dem Beginn der US-Immobilienkrise im Frühjahr 2007 platzte die Blase auch in der Präsidialrepublik – die Folgen sind heute unter anderem auf der Hauptstadtachse in Astana sichtbar: Sie ist gesäumt von halbfertigen Gebäuden und still stehenden Baukränen. Gestoppt wurden sie von der lokalen und später globalen Bankenkrise. Investoren stand plötzlich kein Geld mehr zur Verfügung, privaten Käufern aus der Mittelschicht war der Zugang zu günstigen Krediten verwehrt. Die angeschlagenen kasachischen Banken, selbst abhängig von ausländischen Krediten, boten schlichtweg keine Finanzierungen mehr an – oder nur zu doppelt oder dreifach gestiegenen Zinsen. Die Nachfrage im Wohnungsbau wie auch bei den Büroflächen sank abrupt, der Bauboom in Astana und in Almaty kam zum Erliegen. Rund 600 Bauunternehmen gingen pleite, tausende Privatanleger, die bereits für ihre bis dahin nur auf dem Papier existierenden Wohnungen bezahlt hatten, standen vor dem Nichts.
Durch die Krise sank das Wachstum in Kasachstan von 8,9 Prozent im Jahr 2007 auf 1,2 Prozent im Jahr 2009. Der Staat stieg bei den vier größten Banken ein und schnürte ein Rettungspaket. Doch das reichte nicht aus, Umschuldungen wurden unausweichlich. Die kasachische Regierung fühlte sich für die Milliardenverluste ausländischer Gläubiger gegenüber kasachischen Banken nicht zuständig. Bis heute verfolgt sie die Strategie, die wirtschaftlichen Probleme zulasten ausländischer Gläubiger zu lösen.
Dank der Umschuldungen haben sich die Banken heute stabilisiert. Hinzu kommt, dass die steigenden Erlöse für Öl und Gas die Wirtschaft wieder angekurbelt haben.
Seit 2010 zieht die Nachfrage im Immobiliensektor wieder an. Von Januar bis Dezember vergangenen Jahres sind die Wohnraumkäufe um 17 Prozent, die Aufnahme von Hypotheken um zwei Prozent und die Quadratmeterpreise um bis zu vier Prozent gestiegen. „Die Erholung am Immobilienmarkt geht wie auch in anderen Ländern eher langsam vor sich und hat Astana und Almaty bisher nicht erreicht”, so Hans Holzhacker, Chefökonom der zur Unicredit-Gruppe gehörenden ATF-Bank.
Aber ein Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent bewirkt auch höhere Löhne und damit eine steigende Wohnungsnachfrage.
Mit durchschnittlich 18,3 Quadratmeter Wohnraum pro Kopf sind die verfügbaren Immobilien in Kasachstan derzeit knapp. Zum Vergleich: in Österreich sind es 38 Quadratmeter, in Russland 22, in den USA 65 pro Kopf. „Sobald die Preise steigen, könnte es auch wieder zu einer Immobilienblase kommen”, sagt Holzhacker. „Aber wohl nicht mehr in dem Ausmaß wie 2007. Die Anleger sind vorsichtiger geworden.” Weil es in Kasachstan nach wie vor schlicht an anderen Investitionsmöglichkeiten fehlt, will die Regierung nun gegensteuern. Anfang dieses Jahres warnte der kasachische Premierminister Karim Massimow vor den Gefahren einer erneuten Immobilienblase und forderte, dass der Staat stärker eingreifen sollte: „Der Wohnungsmarkt muss grundsätzlich eine neue Basis bekommen. Die Blase hat gezeigt, dass der Staat sich nicht aus der Regulierung zurückziehen darf.”
Die kasachische Regierung will den Bürgern nun ermöglichen, in sogenannte „Volksaktien” zu investieren. Ab Mitte dieses Jahres kann jeder Kasache Anteile an einigen Staatskonzernen erwerben. Das Vertrauen in diese Aktien scheint bisher eher gering zu sein.
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