Auch dieses Wochenende werde ich wieder mit meinem Mann im Baumarkt verbringen. Zwei ganze Tage! Natürlich haben alle Geschäfte auch am Sonntag geöffnet. Ladenschlussgesetz? Das ist bei uns völlig unvorstellbar.

Für mich – ich arbeite in einer Bank – sind Sonnabend und Sonntag die einzigen freien Tage in der Woche. Und die sind derzeit reserviert für die Renovierung der neuen Wohnung. Wir brauchen Tapeten und Laminat. Bisher konnte ich mich nicht entscheiden – es gibt so viele Farben und Muster. Was soll man da nehmen?

Wir haben die Wohnung im Juli bekommen, 40 Quadratmeter, Balkon, in einem Hochhaus. Drei Jahre länger als geplant haben wir gewartet. Der Kredit war längst abgezahlt, aber erst jetzt ist das Haus fertig. Die Finanzkrise! Wir hatten schon Angst, das Geld sei weg, und die Wohnung würde nie gebaut. Aber der kasachische Staat hat allen Wohnungskäufern garantiert, dass sie am Ende zu ihrem Eigentum kommen, wenn auch nach langer Wartezeit.

Bisher ist unser Haus nur ein Rohbau, da ist nichts drin, nur rohe Wände. Das ist hier so üblich. Selbst Toilette, Waschbecken und Wanne müssen wir erst noch einbauen. In drei Monaten werden wir wahrscheinlich echte Fachleute sein.

Die Wohnung ist als Geldanlage gedacht, vielleicht könnten wir sie an Ausländer vermieten. Oder mein 16-jähriger Sohn zieht irgendwann ein. Mit ihm zusammen in unserer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung ist es jetzt schon fast zu eng.

Ausschlafen kann ich am Wochenende schon lange nicht mehr. Waschen, putzen und kochen muss ich ja auch noch, das bleibt alles an mir hängen. Dabei bin ich Alleinverdienerin, mein Mann ist arbeitslos.

In der Bank arbeite ich nur, um Geld zu verdienen. Ich habe bildende Kunst studiert, das ist meine eigentliche Leidenschaft. Ich gehe gerne in Ausstellungen, und noch lieber organisiere ich welche. Hier in Kasachstan gibt es leider kaum zeitgenössische Kunst. Künstler arbeiten meist nur für Geld, entwickeln sich kaum weiter. Ich würde gern westliche und hiesige Künstler zusammenbringen, vielleicht in einem Workshop, und dann die Arbeiten ausstellen. Druckkunst – Holz- oder Linolschnitt zum Beispiel – wird hier an den Kunsthochschulen zwar gelehrt, aber es gibt keine Tradition, und die jungen Künstler wissen das kaum anzuwenden. Ich selbst fahre zum Malen am liebsten in die Berge oder in die Steppe. Aber dazu komme ich nur noch selten.

Berliner Zeitung, Horizonte – Mein Wochenende, 17.09.2011