Kirgistan: Bücherpaten für Osteuropa
Nach Kirgisistan, Albanien und Usbekistan reisen deutsche Autoren als Bücherpaten. Mit im Gepäck haben sie zahlreiche deutschsprachige Bücher, die den Bibliotheken vor Ort gespendet werden. Die Bibliotheksinitiative Mittel- und Osteuropa versucht mit diesem Angebot vor allem Schüler und Studenten anzusprechen und so einen Beitrag zur Versöhnung und Verständigung zwischen den Ländern zu leisten.
„Ein blonder Bock bekam Blumen. – Das sind die Blumen und ’bekommen’ ist das Verb.“
Deutsch-Unterricht in einer fünften Klasse in Osch in Kirgistan. Statt des Lehrers steht heute Nadia Budde vorn, eine Kinderbuchautorin aus Deutschland. Sie hat eines ihrer Bücher im Gepäck – „Trauriger Tiger toastet Tomaten“ – ein ABC-Lernbuch, in dem komische Tiere komische Sache tun, stets gefesselt an einen Buchstaben.
„Zum Beispiel Dachse – das ist ein Tier, so schwarz-weiß. Dicke Dachse dürfen duschen.“
Gemeinsam mit den kirgisischen Kindern malt und dichtet Budde sich quer durch’s deutsche Alphabet – so bleiben Vokabeln hängen.
„Elf Elefanten essen Eis – Schöne Schlangen schlafen – Ein prima Pferd probiert Pflaumen.“
Für Nadia Budde ist es eine Wiederbegegnung mit den Kindern und mit der Stadt Osch. Schon einmal war sie in diesem Jahr in Kirgistan – als Bücherpatin für die deutsche Bibliothek an der Staatlichen Universität in Osch.
Insgesamt wurden in den vergangenen drei Jahren im Rahmen der Bibliotheksinitiative 29 deutschsprachige Bibliotheken in 22 osteuropäischen Ländern mit Bücherspenden unterstützt. Dazu hielten die Bücherpaten Lesungen oder Vorträge.
Die deutsche Bibliothek der Universität in Osch hat über 400 Bücher im Wert von 15.000 Euro erhalten – bei einem bisherigen Gesamtbestand von 800 Büchern. Über die Entsendung einer Kinderbuchautorin als Patin war man an der Germanistik-Fakultät zunächst irritiert, holte jedoch kurzerhand die Kinder aus der deutschen Schule in Osch mit dazu. Svetlana Tjukatschova, die Leiterin der deutschen Bibliothek in Osch:
„Wir haben eigentlich was anderes erwartet, ehrlich gesagt, das wird eine richtige Schriftstellerin sein, das heißt, sie schreibt ganz dicke Romane und die kommt dann mit einem Haufen von Büchern und liest was vor. Und als wir dann die Bücher gesehen haben, die sie da mitgebracht hat, das waren so Kinderbücher und Bilder, so die Illustrationen waren auch nicht so besonders schön – da haben unsere Menschen gesagt, ’Wow, was ist denn das?’“
Buddes Bücher sind nicht niedlich. Ihre Helden sind krakelige, breitmäulige Gestalten mit Glupschaugen, manchmal ironisch, und oft ziemlich albern.
Die Autorin machte sich Sorgen, ob ihre Bilder in Kirgistan überhaupt verstanden würden:
„Unsere Kinder haben natürlich die Möglichkeit, sich aus einem breiten Spektrum an Bildern was auszusuchen oder auch zu sagen, ich möchte mir lieber diese Bilder angucken. Hier habe ich kein Kind bemerkt, das beim Zeichnen gesagt hat, das sieht doof aus oder ich kann nicht zeichnen. Aber die haben sich sowohl bildlich als auch textlich ganz unbefangen geäußert, das war mir sehr sympathisch.“
Auch die Angst der Studenten, mit Kinderbüchern unterfordert zu sein, war unbegründet. Für sie hatte die Autorin etwas besonderes geplant.
„Für mich stand die Aufgabe, ich fahre also in dieses Land, und ich möchte Leute kennen lernen, ich möchte in deren Welt schauen, ich möchte sie aber auch in meine Welt schauen lassen. Und da meine Welt vom Bilderbuch herkommt, stand die Idee, warum soll ich kein Bilderbuch machen.“
Inspiriert von einer Wolfsgeschichte des Kirgisen Dschingis Aitmatow ließ Budde die Studenten kirgisische Wölfe malen und kleine Texte zu ihrem Alltag verfassen
In dem Buch-Rohling, den sie jetzt zeigt, stehen sich kirgisische Wölfe und die Buddeschen Exemplare gegenüber. Alle Seiten sind in kirgisisch, russisch und deutsch betextet – ein Bilderbuch, das gleichzeitig ein Sprachlehrbuch ist.
Was als kleines Projekt in Kirgistan begann, stößt in Deutschland auf so viel Interesse, dass die Organisatoren der Bibliotheksinitiative darüber nachdenken, das Wolfsbuch professionell zu verlegen und herauszubringen.
Damit wäre Budde eine der wenigen Bücherpaten, die von ihrer Reise ins Ausland, ein greifbares Ergebnis mitgebracht haben – „Reise mit Wolf“, so der Arbeitstitel des Buches. Wenn alles gut geht, steht es vielleicht bald im Buchladen.