Sommer in Duschanbe. So freizügig dürfen sich Frauen in Tadschikistan bald nicht mehr kleiden, traditionelle tadschikische Kleider sind künftig für Frauen Pflicht.

Den Juli habe ich weit weg von Zentralasien verbracht, in Island. Und zugegebenermaßen hieß das auch, ich habe nicht einmal aus Ferne geschaut, was in der Region los ist – richtiger Urlaub eben. Zumindest ist keines der Staatsoberhaupte  verstorben. Man verzeihe mir den Zynismus, aber ich weiß, wovon ich rede, seitdem Islam Karimov im vergangenen Jahr just in dem Moment das Zeitliche segnete, als ich in einem Taxi mit einem sehr selbstbewussten Fahrer aus dem svanetischen Ushguli rasant gen Kutaisi brauste.

Trübe Verheißungen für Kasachstan

„Unsere Zukunft wird gewalttätiger Extremismus sein“. Mit diesen Worten zitiert Reid Standish in Foreign Policy die kasachische in mehreren Terrorismusfällen beteiligten Anwältin Aiman Umarova. Das Bild, das Standish in seiner Analyse von Kasachstan zeichnet, ist ziemlich pessimistisch – verweigere sich die Politik doch einer realistischen Analyse. Tatsächlich sei Terrorismus in Kasachstan bereits tief verwurzelt.

In der letzten Zeit habe ich vor allem in sozialen Medien mehrfach gelesen, Kasachstan drohe bald das gleiche Schicksal wie der Ukraine. Russland provoziere Kasachstan. In den kasachischen Städten im Norden finde eine schleichende Segregation zwischen ethnischen Kasachen und Nichtkasachen in unterschiedlichen Stadtvierteln statt. Ein Taxifahrer, selbst ethnischer Kasache aus Petropavlowsk, bestätigte all dies und sagte, er fände gut, wenn Russland sich den kasachischen Norden einverleiben und er so zum russischen Staatsbürger würde. Ehrlich – ich kann das noch nicht wirklich einschätzen. Ist eine Abspaltung des kasachischen Nordens realistisch? Ich will das nicht glauben. Ein paar interessante und gegensätzliche Einschätzungen der kasachischen Politologen Rasul Zhumaly und Andrej Chebotarev liefert dieser Artikel des aserbaidschanischen Portals Azeri Today.

Vor dem Hintergrund ist auch ein Artikel der russischsprachigen Seite von DW interessant, der die Tendenz thematisiert, russische Kasachstaner würden verstärkt das Land gen Russland verlassen.

Meine geschätzte Kollegin Aigerim Toleukhanova entwirrt den Prozess um den inhaftierten kasachischen Journalisten Zhanbolat Mamay. Er sei ein Pfand in einem politischen Spiel, konstatiert sie. Mamay ist übrigens seit 10. Februar dieses Jahres in Haft – vier Tage länger als Deniz Yücel in der Türkei. #FreeDeniz und #FreeZhanbolat kann ich da nur sagen.

Mehr als 50 Präsidentschaftskandidaten in Kirgistan

Kirgistan wählt am 15. Oktober einen neuen Präsidenten. Die derzeitige Situation fasst Andreas Rüesch in der NZZ sehr gut zusammen – inklusive der Nachricht, dass der erst 40jährige Sapar Isakov, bisher Chef des Präsidentenapparates und Vertrauter des kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew, Ende August neuer Premierminister wurde.  Sein Vorgänger Sooronbai Jeenbekov, ebenfalls Mitstreiter Atambajews, tritt als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen an und hatte deshalb das Amt aufgegeben.

Die optimistische Einschätzung des Schweizer Kollegen zur positiven Entwicklung in Kirgistan teile ich allerdings nicht. Warum, erklärt dieses Interview des Central Asia Program der George-Washington-Universität mit Bruce Pannier von RFE/RL. Zu unklar ist das politische Ränkespiel, zu groß der Reformstau, zu stark die Repression kritischer Stimmen.

Im Majlis Podcast diskutierte eine hochkarätige Expertenrunde die russische Einflussnahme auf die Wahlen in Kirgistan. Denn was für die USA und Europa neu ist, hat in Kirgistan lange Tradition.

Nur mal ein Eindruck aus der gesellschaftlichen Realität in Kirgistan. Mit versteckter Kamera gedreht – Schmiergeldzahlung an die Polizei, Alltag im kirgisischen Straßenverkehr.

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Wirtschaftskrise und rigide Gesetze in Tadschikistan

Tadschikistan hat sich mal wieder mit dem Iran angelegt, wie Reuters meldet. Beide Länder sind muslimisch und persischsprachig. Doch seit 2015 ist das Verhältnis angespannt, als ein Vertreter der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans, die in Tadschikistan verboten ist, offiziell bei einer Konferenz in Teheran auftrat. 

In einer Dokumentation des staatlichen tadschikischen Fernsehens wurde der Iran nun beschuldigt, in den 1990er Jahren, als in Tadschikistan ein Bürgerkrieg tobte, Mörder und Saboteure nach Tadschikistan geschickt zu haben. Der Iran hat sich laut Reuters zu den offensichtlich als Provokation gemeinten Vorwürfen bisher nicht geäußert.

Staatsanleihen trotz bankrotter Banken

Wirtschaftlich ist Tadschikistan weiterhin stark angeschlagen. Die russische Nesavissimaya Gazeta sieht das Land am Rande desBankrotts, wie auch Eurasianet – Hunderte Tadschiken haben in jüngster Zeit durch bankrott gehende Banken ihre bescheidenen Vermögen verloren.

Dennoch will Tadschikistan demnächst in US-Dollar bewertete Staatsanleihen ausgeben – um den Bau des Rogun-Staudamms zu finanzieren. Selbst die Financial Times frohlockt schon ob des anstehenden Geschäfts.

Duschanbe: Tadschikische Frauen in traditionellen Kleidern

Gesetzlicher Traditionszwang

Derweil hat das tadschikische Parlament im August Anpassungen im Gesetz „Über die Regelung von Traditionen und Riten“ beschlossen. Beabsichtigt ist ein Verbot des Hidjabs – mit dem die tadschikische Regierung religiöser Radikalisierung entgegen wirken will. Doch was gut gemeint klingt, ist viel weitreichender, wie Radio Ozodi berichtet.

Eine der Änderungen im genannten Gesetz: „Physische und juristische Personen sind verpflichtet, die Attribute der nationalen Kultur zu beachten – die Staatssprache zu kennen und die nationale Kleidung zu tragen“. Darüber hinaus ist künftig verboten, die Rückkehr vom Hadj, der muslimischen Pilgerfahrt nach Mekka, zu feiern. An den traditionellen Trauergedenkfeiern sieben und 40 Tage sowie ein Jahr nach dem Todestag eines Verstorbenen dürfen keine Rinder mehr geschlachtet werden. Der Gedenkschmaus im Familienkreis zu Ehren der Toten ist ebenfalls verboten. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Brautschau mit Schützenhilfe vom Präsidenten

Doch Tadschikistan ist auch ein Land, in dem der Präsident sich noch höchstselbst und persönlich um seine Untertanen Landsmänner kümmert – und ihnen unter Umständen auch eine Ehefrau vermittelt.

Olympiade Asiade in Turkmenistan

Turkmenistan fiebert den V. Asian Indoor and Martial Arts Games entgegen, die es vom 17. bis 27. September ausrichtet und die wie die Olympischen Spiele angekündigt werden.

Zur Sicherheit hat man schon mal die Grenze abgeriegelt, Alkohol verboten, Tausende Häuser ohne Entschädigung für die Besitzer abgerissen und Gurbanguly Berdimukhamedov übt das Fahrradfahren.

Die neue Starbucks-Filiale in Aschgabat entpuppte sich übrigens als Fake-News.

https://twitter.com/v_hunanyan/status/899987868285902849

Was ich mit Berdimukhamedov gemein habe

Trotzdem noch etwas schön Ungewöhnliches aus Turkmenistan. Durch den Urlaub in Island bin ich meiner lange gehegten Pferdeliebe erneut verfallen – die ich offensichtlich mit dem turkmenischen Präsidenten teile. Auf der Suche nach Isländern in Zentralasien – gibt es hier welche? – bin ich auf Yvonne Koall gestoßen, eine deutsche Videobloggerin und passionierte Reiterin. Sie ist dieses Jahr in Turkmenistan unterwegs gewesen – nicht auf der Suche nach Isländern, sondern nach Achal-Tekkinern, einer so alten wie edlen turkmenischen Pferderasse. Auf Ihrem Youtube-Kanal erzählt Koall in einer Video-Serie von dieser Reise – in jedem Fall sehr sehenswert.

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Ein Jahr ohne Karimov

Ein Jahr ist es her, dass der Islam Karimov verstorben ist. Als offizielles Todesdatum gilt der 2. September 2016. Doch seitdem wird vermutet, er sei bereits am 27. August verstorben. In Samarkand, der Geburtsstadt Karimovs, wurde jetzt ein Denkmal zu seinen Ehren enthült.

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Hoffnungen …

Der Majlis Podcast von RFE/RL zog Bilanz – Mirziyoyevs erstes Jahr.  – Die NZZ sieht bereits „Politisches Tauwetter in Usbekistan“.

Tatsächlich hat Mirziyoyev die Daumenschrauben etwas gelockert, was Hoffnung macht. Tausende „Terrroristen“ – unter Terrorismusverdacht stehende Gläubige – sollen in Usbekistan rehabilitiert werden. Zahlreiche politische Gefangene wurden freigelassen wie jüngst Erkin Musaev, der früher für die usbekische Regierung und als Beschäftigter der Vereinten Nationen in Usbekistan gearbeitet hatte und 2006 verhaftet worden war. – Die verhassten Ausreisevisa will die Regierung 2019 abschaffen. Bisher hatte jeder Usbeke den Stempel benötigt, um das Land überhaupt verlassen zu dürfen, und sei es nur für den Urlaub. – Die Währungspolitik soll gelockert werden. Den Schwarzhandel will man dadurch eindämmen, dass auch Privatleute in Banken Devisen eintauschen können. Die neue Regelung gilt ab 5. September. – Und Rasul Rysmambetov, Direktor des kasachischersFinanzdiensleister Freedom Finance sieht die usbekische Wirtschaft durch die politische Öffnungboomen (und Kasachstan durch einen starken Nachbarn bedroht?).

… und Misstrauen

Doch der Schwarzhandel mit Devisen werde möglicherwiese trotzdem bestehen bleiben, schreibt Eurasianet. – Alles nur  „Fassadenmalerei“ schreibt mir ein Usbeke auf Facebook. – Und Timur Karpov berichtet ebenfalls auf Facebook, dass sein Antrag auf Ausreise seit zwei Monaten „geprüft“ werde. Karpov ist Sohn der Dissidenten und Künstler Umida Akhmedova und Oleg Karpov und selbst bekannter Fotograf. Doch wenn das neue „Tauwetter“ nach wie vor unliebsame Regimekritiker ausklammert, darf man es dann tatsächlich Tauwetter nennen?

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Eine Delegation von Humans Rights Watch ist derzeit erstmals seit mehr als zehn Jahren in Usbekistan. Bisher gibt es dazu keine offizielle Stellungnahme, weder seitens der usbekischen Regierung, noch seitens HRWs. – Auf den Bericht der Kollegen bin ich aber sehr gespannt.

Und sonst?

China hat offensichtlich zunehmend Sicherheitsbedenken gegenüber den zentralasiatischen Nachbarn. Vor allem in Kasachen und Kirgisen sieht die chinesische Regierung eine Bedrohung. RFE/RL erklärt, worum es dabei geht.

In der ersten Ausgabe des monatlichen Zentralasien-Recaps hatte ich schon einmal die Frage aufgeworfen, wie Zentralasien auf Trump reagieren wird. – Nach mehr als einem halben Jahr Amtszeit von Donald Trump ist es nun Zeit, auch danach zu fragen, was Zentralasien von der Trump-Administration zu erwarten hat. – Nicht viel, meint Paul Stronski von Carnegie Endowment for International Peace, zu geringe Bedeutung habe die Region für die USA. Dennoch bleibe Zentralasien eine „Geisel der USA-Russland-Beziehungen“.

TV-Tipp: Doku über Kasachstandeutsche

Und zum Schluss eine Film-Empfehlung: In ihrem Dokumentarfilm „Wind in meinem Haar – Ferne Heimat Karatau“zu sehen in der Mediathek des BR – begleitet die junge Regisseurin Marina Anselm ihre Mutter Melitta nach #Kasachstan. Die Familie stammt von dort. 1990 waren sie wie fast eine Million weiterer Deutscher aus Kasachstan nach Deutschland ausgewandert – jetzt kehrt Mutter Melitta erstmals nach 25 Jahren zurück.

Herkunft, Identität und die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die sich kaum noch in der Gegenwart spiegelt, sind die Themen des sehr sehenswerten Films. – Spannend, dass der Film im “offiziellen” Kasachstan auf wenig Gegenliebe stieß, wie die Regisseurin der Deutschen Allgemeinen Zeitung erzählte.