Medien als Kontrollinstrument der kasachischen Regierung

von © Deutschlandfunk, 11.03.2017, 4 min, Edda Schlager

International präsentiert sich Kasachstan gern als gewandter Vermittler und Krisenmanager – wie jüngst bei den Syrien-Friedensgesprächen in Astana. Gegenüber Kritikern im eigenen Land aber geht die Regierung mit aller Härte vor. Betroffen sind vor allem die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien. Eben wurde die Zeitung Tribuna/Sayassi-Kalam eingestellt, weil die Redaktion zu offensiv politische Missstände des zentralasiatischen Landes offengelegt hatte.

Sie kommen am 10. Februar, einem Freitag, gegen neun Uhr morgens. – Die kasachische Journalistin Inga Imanbay befürchtet das Schlimmste, als die Polizei vor ihrer Wohnung steht. Man werde die Tür aufbrechen, wenn sie nicht freiwillig öffne. Imanbay produziert gemeinsam mit ihrem Mann Zhanbolat Mamay die unabhängige Zeitung
Tribuna / Sayassi-Kalam – seit Wochen hatten beide mit so etwas gerechnet.

Imanbay schafft es, den Beginn der Hausdurchsuchung mit ihrem Handy zu filmen und das Video auf Facebook zu posten. Darauf zu sehen – wie sie die Tür öffnet, ihr ein Beamter seinen Ausweis vor die Nase hält und mehrere Polizisten hereindrängen. Die Wohnung von Imanbay und Mamay ist gleichzeitig ihr Redaktionsbüro. Alles wird durchsucht – Unterlagen, Laptops, Datenspeicher nimmt das Polizei-Kommando mit.

Zur gleichen Zeit – das erfährt Imanbay später – ist die Polizei auch bei den Eltern ihres Mannes – dort wird Zhanbolat Mamay verhaftet. Zwei Monate Untersuchungshaft wurden über den kasachischen Journalist verhängt. Der Vorwurf: Mamay habe Gelder des im Exil lebenden kasachischen Oligarchen Mukhtar Ablyazov gewaschen, die Zeitung für illegale Finanzgeschäfte genutzt.

Der Druck auf Zeitung und Herausgeber hat vor etwa anderthalb Monaten angefangen. Immer wieder wurde der Herausgeber gedrängt, Zhanbolat zu entlassen und die Zeitung zu schließen. Trotzdem haben wir weiter gemacht.

Die Zwei-Mann-Redaktion der Zeitung – beide Journalisten sind 28 Jahre alt und haben eine anderthalbjährige Tochter – war ins Visier der kasachischen Behörden geraten, weil ihr Blatt eines von nur wenigen unabhängigen Medien in Kasachstan ist. Die 2014 gegründete Wochenzeitung mit einer Auflage von 15.000 Stück entzog sich konsequent der staatlichen Kontrolle, finanziert lediglich aus den Verkaufserlösen von umgerechnet rund 3.000 Euro pro Monat.

Die kasachische Zeitung Tribuna/Sayassi Kalam wurde eingestellt, nachdem der Chefredakteur Zhanbolat Mamay verhaftet worden war

Medien in Kasachstan leben flächendeckend von Staatsaufträgen für die Berichterstattung zu bestimmten Themen. Eine solche Finanzierung garantiert den Medien zwar Einnahmen, ist aber auch ein perfektes Kontroll-Instrument.
Imanbay und Mamay nutzten ihre finanzielle Unabhängigkeit für Berichte über Korruptionsskandale, die Entlassung streikender Ölarbeiter oder gaben Regimekritikern Raum für profunde Analysen. – Die Verhaftung Mamays sei deshalb ein Warnschuss des Regimes an all jene, die sich der Kontrolle entzögen, ist Evgeniy Zhovtis vom kasachischen Büro für Menschenrechte überzeugt.

Das ist ganz klar eine Drohung an alle, die besagt, niemand ist sicher. Dass sie solchen Druck auf ihn ausüben, passiert nicht, weil sie Informationen wollen. Der Grund ist, dass er sehr laut deutlich machte – die Angriffe sind politisch motiviert.

Obwohl die kasachischen Behörden das abstreiten, ließ Zhanbolat Mamay über Rechtsanwälte ausrichten, er sei in Haft bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen worden, man habe Schuldeingeständnisse erpressen wollen. „Sollte mir hier etwas zustoßen, war das Mord“, erklärte Mamay schriftlich.

Grund für die Härte gegenüber Kritikern, so Menschenrechtler Zhovtis, sei ein bevorstehender Machtwechsel in Kasachstan. Präsident Nursultan Nasarbajew, 76 Jahre alt und seit mehr als 25 Jahren unangefochten an der Macht, werde die politische Bühne über kurz oder lang verlassen. Der Umbau von einer, so Zhovtis, „superpräsidialen Republik zu einer neuen politischen Konfiguration“ sei in vollem Gange.

Die jetzt an der Macht befindlichen Eliten suchen ein Konstrukt, das ihnen den Erhalt von Einfluss und Eigentum garantiert. Und während dieses Übergangsprozesses stören Mitspieler, die nicht unter Kontrolle sind.

Die Zeitung Tribuna / Sayassi-Kalam hat mittlerweile ihre Lizenz verloren und ist eingestellt. Inga Imanbay aber will sich nicht einschüchtern lassen. Sie kämpft jetzt nicht nur für die Freilassung ihres Mannes. Sondern auch dafür, weiterhin als unabhängige Journalistin in einem freien Umfeld arbeiten zu können.

Deutschlandfunk, Markt und Medien, 11.03.2017