Ich würde ja gerne auch am Wochenende auftreten. Aber das Deutsche Theater Almaty, zu dessen Ensemble ich gehöre, spielt nur an Werktagen. Wir haben keinen eigenen Spielort und mieten für jede Aufführung einen Saal. Das kann sich das Theater aber nur zweimal pro Woche leisten, und deshalb ist das Wochenende immer spielfrei.

Zurzeit treten wir in einem schäbigen Kulturhaus auf – und schämen uns dafür unheimlich. Es ist kalt, voller Gerümpel. Wie sollen die Zuschauer hier ein Stück genießen? Deshalb kommen wohl viele nicht mehr, es herrscht einfach keine Theater-Atmosphäre.

In unserem alten Theater war das ganz anders. Die Leute wussten, wo sie uns finden, wir spielten ganz nah am Publikum. Doch eine geplante Sanierung vor vier Jahren bescherte uns fast das Aus. Die Ex-Direktorin und jemand aus dem Kulturministerium haben sich wohl das Geld für den Umbau in die eigene Tasche gesteckt. Genaues weiß ich auch nicht. Aber die Sanierung wurde nie beendet. Dabei war das Dach schon abgedeckt. Jetzt regnet es seit Jahren hinein, und der Saal sieht aus wie die Ruine eines antiken römischen Theaters. Wie es weitergeht, weiß keiner. Aber noch spielen wir!

Das Theater wurde vor 30 Jahren von den Deutschen gegründet, die damals in Kasachstan lebten. Wir spielen noch immer fast alle Stücke in deutscher Sprache, obwohl niemand von uns Deutscher ist, und keiner wirklich Deutsch spricht. Die Schauspieler von damals sind jetzt alle in Deutschland. Aber ich liebe diese Sprache, auch wenn es schwer ist, die Texte in einer Fremdsprache auswendig zu lernen!

Seit 13 Jahren bin ich Schauspieler, etwas anderes kann und will ich nicht machen. In Kasachstan ist das kein prestigeträchtiger Beruf, die jungen Leute werden lieber Buchhalter oder Jurist und verdienen so auch mehr. Um zurechtzukommen, fahre ich am Wochenende Taxi oder trete bei Geburtstagen auf, als Gitarrist oder als Clown, manchmal allein, manchmal mit Kollegen. Wir helfen uns gegenseitig, an diese Jobs zu kommen. Und es gibt hier immer irgendwelche reichen Familien, die sich mit dem Programm gegenseitig übertrumpfen wollen.

Im Februar werde ich Vater, bis dahin ist noch viel zu erledigen. Ich lebe mit meiner Freundin zusammen, dafür werden wir schief angeschaut – ohne Trauschein! Aber mir sagt der westliche Lebensstil einfach mehr zu. In Kasachstan heiratet man üblicherweise mit Anfang zwanzig. Dafür ist es bei mir jetzt sowieso schon zu spät.

Berliner Zeitung, Horizonte – Mein Wochenende, 15.01.2011